Neunter Auftritt.

[320] Virginius. Virginia.


VIRGINIA.

Darf ich ihn wissen, theurer Vater,

den Plan, wovon er sprach?

VIRGINIUS.

Du mußt so ganz

ihn wissen, als dein freyes Urtheil, Ich –

Nach eingestandner Leidenschaft versprach

er jenes Zwangs-Gesetz der Ehen, ihm

so widrig jetzt, in Jahres Frist zu tilgen,

willst du sogleich kraft eines eidlichen,

doch bis dahin verheimlichten Vertrages,

dich ihm ergeben.[320]

VIRGINIA.

– Ha Verruchter! Dieß!

Dieß fehlte noch, das Maaß der Frevelthaten

zu füllen! – Seyd gepriesen mir, ihr Götter!

daß eure Huld mir Diesen Vater gab!

Wie Mancher hätt' aus Ehrsucht oder Furcht

den Trieben des Betrügers mich geopfert!

VIRGINIUS.

Jedoch gesetzt! (und möglich ist es ja!)

sein Vorschlag wäre rein von Hinterlist,

entschlössest du dich, ihm Gehör zu geben?

VIRGINIA.

Dem Bösewicht? O Vater, welche Frage!

Um dieses Ungeheur, der Menschheit Schmach,

sollt' am Icil ich treulos werden können?

und Du Herr, fragest mich?

VIRGINIUS.

Ich wußte schon

vorher die Antwort: und aus diesem Grunde

sprach ich bereits ihm alle Hoffnung ab.

Doch, liebste Tochter! dachtest du schon auch

an die Gefahren deiner Weigerung?

VIRGINIA.

Die größte ist der Tod!

VIRGINIUS.

Die Knechtschaft!

VIRGINIA.

Nein,

mein Vater! durch den Tod entgeht man ihr.

VIRGINIUS.

Hast du zum Tod auch Muth?

VIRGINIA.

Ich bäte dich,

mich jetzt zu tödten, ließ' dich die Billigkeit[321]

der Götter nicht noch andre Rettung hoffen.

VIRGINIUS sie umarmend.

O Tochter! O mein Blut! mit solchem Muthe

trotzt man Tyrannen, trotzt man dem Geschick.

Erhalt' ihn stets so fest – hoff ich ihn gleich

in solche Prüfung nie versetzt zu sehn! –

Komm! Laß nun in Asträens Tempel uns

das Zeichen zum Gericht getrost erwarten!

Erflehn wir uns des Himmels mächt'gen Schutz,

so stürmt der Hölle Macht umsonst auf uns.


Gehen ab.


Ende des dritten Aufzugs.


Quelle:
Cornelius von Ayrenhoff: Sämmtliche Werke. Band 2, Wien 1802, S. 320-322.
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