Sechster Auftritt.

[340] Lälia, die eilig kommt, und sich durch das Volk und die Wachen dränget.


Ich muß vor ihn!

Laßt mich! ich muß!

APPIUS aufgebracht.

Welch ein Getöse.

LUCIUS.

Herr!

Des Marcus Gattinn dringt heran.

APPIUS.

Laßt sie!

Sie wird um Rache für den Gatten fleh'n.

LÄLIA mit einigen Papieren in der Hand. Sie trift, da sie durch das Volk kommt, gerade auf Virginiens Leichnam.

O schrecklich! Hier auch Leichen? – O sie ists!

es ist das edle Mädchen, dessen Reize

der Keim vom Tode meines Gatten waren!

APPIUS.

O könnte doch dir seines Mörders Blut

um Trost gereichen! bald, bedrängtes Weib,

erhieltst du Trost. Der Bösewicht Icil

ist schon verhaftet und ...[340]

LÄLIA.

Schweig Ungeheur!

in Deinem Blut allein ist Trost für mich.

Du bist es, wider den ich Rache fodre!

Du selbst, der dieß beweinenswerthe Mädchen

sich als der Wollust Opfer ausersah!

Du, der den schändlichen Entwurf ersann,

als einer Sklavinn Kind, durch Meineid sie

dem Vater zu entreißen! Du, der durch

Geschenke zum abscheulichen Vollzuge

den Marcus ...

APPIUS.

Still, Wahnsinnige! bringt dich

dein Schmerz zur Raserey; für Rasende

ist hier kein Ort. Man führe sie von hier!

LÄLIA.

Nein Römer! höret mich.

APPIUS.

Entfernet sie!

LÄLIA indem sie die Briefe unter das Volk wirft. Valerius hebt sogleich einen auf, und liest ihn.

Hier Römer, sind die gültigsten Beweise

für Mich und wider Ihn. Sie zeigen euch

im heilsten Licht die Schwärze seiner Seele,

beleuchtet von des Frevlers eigner Hand! –

Und Du Tyrann, willst mich verhindern, laut

zu sagen, daß der Mörder meines Gatten

Du bist? Du mich zur Wittwe, meine Kinder

zu Waisen machtest?

APPIUS.

Fort Lictoren! schleppt

sie fort!


Man will sie abführen.


LÄLIA.

Helft Römer![341]

VALERIUS.

Haltet ein! – Ihr Mund

spricht Wahrheit. – Dieß der Hölle würd'ge Blatt

rechtfertigt den Verdacht, den dieser Streit

dem halben Rom, mir selbst, erwecket hat.

Ihr Römern! Appius ist ein Tyrann,

ein Bösewicht.


Zu einem Offizier.


Icil sey frey!


Der Offizier geht ab.


Virgin!

Lies', edelmüth'ger Greis, die Schande Roms,

dein Ungluck!


Er gibt Virgin den Brief; Dieser lieset, und wirft sich dann auf den Leichnam seiner Tochter.


APPIUS aufstehend zum Valer.

Ha Verwegener! auch Du

Verräther? – Denkt an euern Eidschwur, Ihr

des Capitoliums Bewahrer! rächt

an dem Meineid'gen mich!

VALERIUS.

– Du hoffst umsonst

auf ihren Schutz: ich habe sie gelehrt

das Laster hassen – nicht vertheidigen.

RUFFUS der einen von den Briefen zeiget.

Auch Dieses Blatt erweiset sein Vergehn,

ihr Römer!

LÄLIA.

Und doch lebt der Wüthrich noch?

besitzt noch kühn die höchste Stelle Roms?

Harrt man vielleicht, bis Ich, ein Weib den Dolch

ins Herz ihm stoße?


Geräusch unter dem Volke.


RUFFUS.

Nein, beym Jupiter!

Dieß soll kein Weib!


Er und einige Bürger gehen auf den Appius los. Dieser zücket sein unter der Toga verborgenes Schwert, indem er von den Richterstuhl herab tritt sich zur Wehre zu stellen. Zu gleicher Zeit stellt sich Valerius dem herannahenden Volke in den Weg, und ruft.
[342]

VALERIUS.

Nicht Römern! mäßiget

der Rache Trieb!


Zu den Soldaten.


Verhaftet ihn!


Einige Soldaten springen auf ihn los. Und da er durch die nächste Kulisse abgeht, folgen sie ihm. Valerius spricht inzwischen fort, zu dem Volke.


Nicht morden,

ihn richten müssen wir! Die Tyranney,

nicht der Tyrann allein, muß untergehn,

soll Rom sich euers Muthes lang erfreuen! –

Nimm es auf dich, o Numitorius,

des Bösewichts uns zu versichern!


Numitorius folgt eilig nach.


RUFFUS.

Herr!

dein Wunsch, vom Joche der Decemvirn frey

zu werden, ist der Wunsch des ganzen Volks.

Es sollen Consuln herrschen, und

Tribunen für des Volkes Rechte wachen!

Du, bester, würdigster der Senatoren,

und längst vor Allen unsers Zutrauns werth!

führ uns durch Rath und Beystand zu dem Ziele!

Werd' erster Consul! und dein edler Freund

Horatius sey zweyter! Meine Stimm'

ist Aller Stimm', aller Herzen Roms

Erklärerinn!

VIRGINIUS der plötzlich aufsteht.

Auch meines Herzens!

QUINTUS UND DAS VOLK.

Aller!

RUFFUS.

Ihr! tretet hinter ihn Lictoren! Er

ist unser Consul.


Die Lictoren treten hinter ihn.


VALERIUS.

Dank euch Römer! Dank

für dieß Vertraun! es einst mir zu verdienen,[343]

nehm' ich den Ehrenruf mit Freuden an.

Laßt uns vereinigt nun uns über Roms

zu gründend Glück berathen! jede Kraft ...


Quelle:
Cornelius von Ayrenhoff: Sämmtliche Werke. Band 2, Wien 1802, S. 340-344.
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