Die Menagerie der Götter

[59] Wie hier an Affen, Papagei'n,

An Kakadu und Raben

Hofherrn und Damen insgemein

Ihr träges Mütchen laben:


So hegt auch mancher Gott sein Tier,

Selbst in der Himmelsstube.

Zeus dahlt mit seinem Adler schier,

Wie ein Quintanerbube.


Der darf in Kabinett und Saal,

Auf Stuhl und Tafel springen,

Und keck ein ganzes Göttermahl

Ambrosia verschlingen.
[59]

Allein, wer so viel frißt, der muß,

Mit Gunst! auch viel hofieren.

D'rum möchte Juno, voll Verdruß,

Ihm oft den Steiß verschnüren.


Dagegen kann ihr Pfauenpaar

Sie desto baß erfreuen;

Doch schmälet Zeus, und dies ist wahr,

Daß sie abscheulich schreien.


Mit Täubchen kürzt an ihrem Platz'

Sich Cypria die Stunden.

Ihr Por läßt flattern einen Spatz,

An langen Zwirn gebunden.


Minerva kömmt durch ihre Gunst

Noch dem Olymp zu statten:

Denn ihre Eule fängt mit Kunst

Die Himmelsmäus' und Ratten.


Apoll hält solchen Tand für schwach,

Nährt sich vier stolze Schimmel,

Und galoppieret, Tag für Tag,

Eins durch den weiten Himmel.


Auch, sagt man, hält er einen Schwan,

Des wunderbarer Schnabel

Trotz Roms Kastraten singen kann;

Doch halt' ich dies für Fabel.


Lyäus läßt den Wagen gar

Von zahmen Tigern führen,

Und ohne Sorge vor Gefahr,

Sich durch die Welt kutschieren.


Vor Plutons schwarzer Pforte bellt,

Der größte Bullenbeißer,

Und macht die Qual der Unterwelt,

Durch sein Geheul noch heißer. –


Vor allen Tieren, groß und klein,

Die sich bei Göttern mästen,

Behagt Silenus Eselein

Noch meinem Sinn' am besten.
[60]

Das ist fürwahr! ein feines Vieh,

Von sondrer Zucht und Ehren,

Und läßt von vorn und hinten nie

Was Unverschämtes hören.


Mit sich und seinem Herrn vergnügt,

Geduldig allerwegen,

Nimmt es vorlieb, so wie sich's fügt,

Mit Marzipan und Schlägen.


Zum Keller weiß es hin und her

Den Weg von selbst zu finden;

Auch braucht man gar nicht drüber her

Den Reiter fest zu binden.


Piano klimmt's den Berg hinan,

Piano tritt's bergunter,

Und wirft den trunknen Ehrenmann

Kein einzigmal herunter.


So einen Esel wünscht' ich mir! –

Silen, wirst du einst sterben;

So laß mich dies bequeme Tier,

Laß, Vater, laß mich's erben!


Quelle:
Bürgers Gedichte in zwei Teilen. Teil 1: Gedichte 1789. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 21914, S. 59-61.
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