Ode der funfzigjährigen Jubelfeier der Georgia Augusta am 17. September 1787 gewidmet von mehrern zu Göttingen Studierenden

[116] Erhabenster, der du daß All gestaltet,

Zu deiner Herrlichkeit Pallast,

Und in ein Lichtgewand, aus Finsternis entfaltet,

Dein Werk gekleidet hast!


Du hast im Raum, wo deine Sonne lodert,

Um Ein Zentralziel aller Kraft,

Zu dem erhabnen Tanz die Sphären aufgefodert,

Der nimmermehr erschlafft!


Es schwebt mit ihm, an Harmonieen-Banden,

Der hohe Welt-Choral dahin,

Vom dem Pythagoras und Newton viel verstanden,

Und Keplers tiefer Sinn.


Im Geistesall, wo Form des Raums verschwindet,

Wo dumpf der Sinn des Zeitstroms Fall

Nur noch vernimmt, hast du weit Größer dich verkündet,

Als in dem Sinnenall.


Da lodern hoch, mit wunderbarem Glanze,

Die Sonnen Wahr und Gut und Schön,

Um die, – so willst du es – sich in vereintem Tanze

Des Geistes Künste drehn.


Vereinigung ersehnen die drei Flammen

Durch wechselsweisen Zug und Drang.

Auch hier rauscht die Musik der Sphären laut zusammen

In Einen Chorgesang;
[116]

Und rauschet fort, von Einem Strom gezogen,

Vom Strome der Vollkommenheit.

Ein Niagara stürzt der seine lichten Wogen

Ins Meer der Seligkeit. –


Georgia, die auch Gesang und Reigen

Erhabner Geisteskünste führt,

Tritt heut vor deinen Thron, ihr Haupt vor dir zu neigen,

Dem Anbetung gebührt.


Gefiel bisher dir höchsten Chorageten

Ihr Einklang mit dem großen Chor

Der Schöpfung, so vernimm, was ihre Söhne beten,

O Herr, mit mildem Ohr!


Gesegn' ihr heut im Jubelfeierkleide

Den Wunsch, den jede Brust ihr weiht,

Und bis zu Götterkraft den Lebenswein der Freude,

Den ihr Georg ihr beut!


Hoch aufgefrischt von dieses Tages Wonnen,

Und deiner Segenskräfte voll,

Erhalte sich ihr Schwung um die drei Geistes-Sonnen,

Um die sie schweben soll!


Nie müsse sie des Rhythmus Kunst verlernen,

Die Glied an Glied ins Ganze fügt!

So fliege sie den Flug mit ihren Folge-Sternen,

Den alles Leben fliegt!


Und werde stets zum Ziele fortgezogen,

Das nur der Gottgeweihte sieht,

Wohin mit Ozeans-Gewalt der Kräfte Wogen

Die Kraft der Kräfte zieht!


Quelle:
Bürgers Gedichte in zwei Teilen. Teil 1: Gedichte 1789. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 21914, S. 116-117.
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