[Friedrich Leopold Stolberg]
Wahl meiner künftigen Gattin und ihrer Eigenschaften

[3] Vivat, wer ohn' allen Eckel,

Auch den ärgsten Gassen-Reckel,

Frisch durch Läuse, Schorf und Dreck

Fuchst ins Teufels Namen weg.


Nicht weiß wie Milch und Blut, gepudert und frisiert,

Und mit dem reichsten Schmuck von Frankreich ausgeziert,

Nein, ruprigt, ledergelb und schmierig wie ein Schwein,

Soll die, die ich mir einst zur Gattin wähle, sein.


Mich reizt kein braunes Haar, in Locken sanft gewunden,

Worin sich mancher schon im Netz verstrickt, gefunden,

Nein, sträubig und mit Schorf, mit Läusen wohl geziert,

Und blutrot sei ihr Haar, mit gelben Talg geschmiert.


Nicht schalkhaft lächelnde, nicht große blaue Augen,

Gemacht der Liebe Geist aus ihnen einzusaugen,

Nein, eitern müssen sie, wie Drachenaugen glühn,

Und hoch am Tränenquell ein gelber Pettig blühn.


Nicht griechisch, nicht antik, von Phideas gerissen

Nein, stumpf und unpoliert, schon faulend und beschissen,[3]

Soll ihre Nase sein, mit Finnen übersäet,

Und stinkend wie die Pest in einem Lazarett.


Ein langes Ohr, aus dem ein Strom von Unrat fließt,

Und wie aus dem Vesuv die Lava sich ergießt,

Ein leckeres Gemisch von Pettig, Blut und Salz,

Mit Schweiß und Grind vermischt und gelbem Ohrenschmalz.


Ein schiefes Maul, verbaut mit platten Lippen,

An dessen Eingang her, zwei Reihen großer Klippen

Zwei Hauer, sowie dort des Herkul's Säulen stehn,

Und da den Höllenpfuhl, hochprangend übersehn.


Es krön' ein Hasenschart den Quell von faulen Düften,

Die alles um sich her verheeren und vergiften,

Der ohne Unterlaß in zähen Geifer schwimmt,

Und durch den stets ein Rotz ins Maul den Eingang nimmt.


Es gleiche jeder Zahn verbrannten Palisaden,

Und sei ein Aufenthalt der Würmer und der Maden,

Ganz hohl und kohlenschwarz in Scharbock eingehüllt,

Und mit verfaultem Fleisch und Läusen angefüllt.


Ein Hals, geschickt um die Anatomie zu lehren,

Ein Kopf und eine Brust, die doch in allen Ehren,

Den zweien Zitzen gleicht, und schrumpfig hangend platt,

An dieser sitzt der Krebs, wenn die den Fistel hat.


Ein schlaffer Bauch gehängt auf zweien spitzen Hüften,

Filzläuse weiden hier in unzählbaren Triften,

Ihr Puckel gleiche dem, von einem Elefant,

Auf welchem Rad und Pfahl, und Galgen eingebrannt.


Der Sitz des Schreckens sei die ungeheure Votze,

Zerschrumpft und ohne Haar, verklebt mit grünem Rotze,

An der seit Jahren schon manch kalter Bauer hängt,

Mit Tripper, weißem Fluß und Schanker untermengt.


Stets muß ein dicker Schleim aus dieser Quelle träufen,

Und sich zu Händen hoch an ihre Öffnung häufen,

Bis an den Lenden sich der Strom hinübergießt,

Und halb mit trägern Lauf ins Arschloch überfließt.


Zwei eingebogne Knie mit krummen Säbelbeinen,

Die wie ein römisch X sich zu durchkreuzen scheinen,

Und weil das Ende sich zum Anfang reimen muß,

Den Knochenfraß am Bein, und den Verschwind am Fuß.


So soll die Gattin sein, die ich mir einst erwähle,

Bös, eigensinnig, falsch, von teuflerischer Seele,

Dumm muß sie wie ein Rind, doch voller Tücke sein.

Zerlumpt und bettelarm, doch stets voll Branntewein.


Und soll sie vollends gar mein ganzes Herz besiegen,

Muß sie die Schwerenot des Tages zehnmal kriegen,

Mit jedem Hurenwirt und jedem Tambur gehn,

Und immer oben an, auf ihrer Liste stehn.


Werd ich dies Urbild einst, auf dieser Runde finden,

Dann werd ich und nicht eher, auf ewig mich verbinden,

Alsdann darf ich mich nicht, noch fürs Betrügen scheun,

Und werde glücklicher als tausend Männer sein.
[4]

Sie träumten Engel sich, und fanden doch mit Schrecken,

Wie unter Engel sich auch Teufel oft verstecken,

Ganz anders wird es mir mit dieser Gattin gehn,

Ich träumte Teufel mir, und werde Engel sehn.[5]

Quelle:
Phantasien in drei Priapischen Oden. [o.O.] 1800, S. 3-6.
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