1. Rübezahl verwandelt sich in einen Esel.

[32] Einst reiste ein Glaser über das Gebirge und ward über die schwere Last des Glases, die er auf dem Rücken trug, müde, schaute sich daher um, wo er sich wohl hinsetzen könnte. Der ihn beobachtende Rübezahl vermerkte dies kaum, als er sich in einen runden Klotz verwandelte, welchen der Glaser nicht lange hernach am Wege liegend antraf und mit frohem Muthe hinging, um sich auf ihn zu setzen. Doch die Freude dauerte nicht lange; denn kaum hatte er einige Zeit gesessen, so wälzte sich der Klotz so geschwinde unter ihm fort, daß der arme Glaser mit sammt seinem Glase zu Boden schlug und es in tausend Stücke zerschellte.

Der betrübte Mann erhob sich von der Erde, blickte um sich, aber sah keinen Klotz mehr, auf dem er vorhin gesessen hatte. Da fing er an bitterlich zu weinen und beseufzte mit herzlichen Klagen seinen erlittenen Verlust, doch wandelte er seine Straße fort. Da gesellte sich Rübezahl, in Gestalt eines Reisenden, zu ihm und fragte ihn: »was[32] er doch so weine und worüber er ein Leid trage?« Der Glaser erzählte ihm den ganzen Handel, wie er auf einem Blocke, um sich auszuruhen, gesessen, dieser habe sich schnell mit ihm umgedreht, sein ganzer Glasvorrath, wohl acht Thaler an Werth, sei zerbrochen und der Klotz sei verschwunden. Er wisse nun nicht, wie er sich erhohlen und seinen Schaden zu gutem Ende bringen solle. Der mitleidige Berggeist tröstete ihn, sagte ihm, wer er sei und daß er ihm den Possen gespielt habe, er solle aber nur gutes Muthes sein; denn sein Schaden solle ihm vergütet werden.

Flugs verwandelte sich Rübezahl in einen Esel und gab dem Glaser den Befehl, ihn in einer am Fuße des Berges liegenden Mühle zu verkaufen, mit dem Gelde aber sich schnell von dannen zu machen. Der Glaser bestieg den verwandelten Berggeist sogleich und ritt ihn vom Gebirge hinunter, zu der Mühle, wo er ihn dem Müller zeigte und für zehn Thaler feil both, der ihn für neun Thaler erstand, welches Geld der Glaser ohne Säumen nahm und sich davon machte. Das erkaufte Thier ward in den Stall geführt und der Knecht legte ihm Heu vor, aber Rübezahl sprach sogleich: »ich fresse kein Heu, sondern lauter Gebratenes und Gebackenes.« Dem Knecht sträubte sich das Haar, er eilte zu seinem Herrn und verkündete ihm die neue[33] Mähre, der, als er in den Stall kam, nichts fand; denn der Esel, und mit ihm die neun Thaler, waren verschwunden. Aber dem Müller geschah recht, da er viele arme Leute betrogen hatte. So rächte Rübezahl geschehene Unbill.

Quelle:
Johann Gustav Büsching: Volks-Sagen, Märchen und Legenden. Leipzig 1812, S. 32-34.
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