6. Rübezahl wird ein Holzhacker.

[44] Einstmals kam Rübezahl in das, seinem Bergbezirk benachbarte, Hirschberg und both einem Bürger seine Dienste als Holzhacker an, indem er für seine Bemühung nicht mehr als eine Hucke Holz forderte. Dies verhieß ihm der Bürger, ging den Vorschlag ein und zeigte ihm etliche Fuder, dabei gedenkend, er wolle ihm noch etliche Mitgehülfen zugesellen. Aber hierzu spricht der Rübezahl: »nein, es ist unnöthig, ich will es alles selber wohl allein bezwingen.« Darauf redet ihn der Herr noch ferner an, fragend: wo er denn die Axt habe? da er keine bei dem gedungenen Knechte bemerkte. Darauf antwortete der Rübezahl: »ich[44] will bald eine kriegen.« Und erwischte hiermit sein linkes Bein, zog solches mit dem Fuße aus den Lenden heraus und hieb, als wenn er toll und rasend wäre, damit alles Holz in einer Viertelstunde gar kurz und in kleine Scheite, dazu sich ein ausgerissener Fuß viel tausendmal hurtiger, als die schärfste Axt, erzeigte.

Inmittelst rief der Hauswirth aber immer, was er rufen konnte (weil er flugs Unrath merkte), daß der abentheuerliche Hacker einhalten und sich aus dem Hofe packen sollte. Der Rübezahl sagte aber immer: »nein, ich will nicht aus der Stelle weichen, ehe ich mein Holz klein gemacht habe und meinen Lohn davon trage.« Und unter solchem Gezänke ward der Rübezahl gleich fertig, steckte sein Bein wieder hinein, indem er vorher nur auf dem einen, nach Storchs Manier, gestanden und sackte alles geschlagene Holz auf einem Haufen auf seinen Buckel, es waren aber bei vier Klafter, und spazierte für allen Henker zur selb beliebten Wohnung hiermit davon; ließ den Wirth schreien und wehklagen, so viel er immer wollte.

Diesmal war aber Rübezahl kein schelmischer Geist, sondern nur ein Rächer der Unbill. Der gedachte Bürger nehmlich hatte das Holz durch etliche arme Bauern zu sich fahren lassen, um einen gewissen Lohn, den der wortbrüchige Mensch den armen, darauf wartenden Bauern nicht gezahlt hatte. Rübezahl[45] soll einem jeden Bauer das von ihm angefahrne Holz vor die Thüre geworfen und dabei den Verlauf der Sache erzählt haben.

Quelle:
Johann Gustav Büsching: Volks-Sagen, Märchen und Legenden. Leipzig 1812, S. 44-46.
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