68. Der Hochstädtische See und die schwimmende Insel.

[317] In vorigen Zeiten war, an der Stelle des Sees und der Insel, ein feuchter, grasigter Platz, worauf die Pferde gehütet wurden. Als nun einstmals[317] etliche Pferdejungen die Pferde darauf zur Weide gebracht und sahen, daß einer unter ihnen weißes Brod aß, kamen ihnen auch ein Appetit, davon zu genießen, an, deswegen sie dasselbe von dem Jungen heftig begehrten. Wie aber derselbe solches gänzlich abgeschlagen und vorgewendet, daß er dieses Brod, zur Stillung seines Hungers, selbst nothwendig bedürfte, wurden die Jungen darauf so unwillig und erbittert, daß sie nicht allein ihren Herren alles Unglück an den Hals fluchten, als die ihnen nicht dergleichen weißes Brod, sondern nur gemeines schwarzes hausbacken Brod, zur Speise mitgegeben, sondern sie warfen auch, aus großem Zorn und Frevel, ihr Brod auf die Erde, traten es mit Füßen und geißelten es mit ihren Pferdepeitschen.

Als aber darauf alsobald Blut aus dem Brode floß, erschracken sie über solches Wunder und Zeichen eines bevorstehenden Unglücks dermaßen, daß sie nicht wußten, wohin sie sich wenden und was sie anfangen sollten. Unterdessen ist der Unschuldige, sonderlich da derselbe, wie einige erzählen, von einem alten, unbekannten, von ohngefähr dazu kommenden Manne gewarnt worden, auf eines seiner Pferde gefallen und mit diesem und den andern übrigen dem großen Unglück entflohen, welchem zwar die Bösewichter nachfolgen wollen, konnten[318] aber nicht von der Stelle kommen, wie denn auch bald hernach der ganze Platz, sobald der Unschuldige davon gewesen, mit großem Krachen untergegangen und hat solche böse Buben sammt ihren Pferden mit sich so tief hinuntergenommen, daß auch nach der Zeit nicht das geringste von ihnen an das Tageslicht kommen ist.

Quelle:
Johann Gustav Büsching: Volks-Sagen, Märchen und Legenden. Leipzig 1812, S. 317-319.
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