131. Tochter dem Teufel verschrieben.

[97] Betrübt über den Zerfall seines Vermögens ging ein Müller in den Wald, wo er einem fremden Mann begegnete. Derselbe fragte ihn um die Ursache seiner Traurigkeit, und als er sie erfahren hatte, versprach er dem Müller eine Menge Geld, wenn dieser ihm dasjenige verschreibe, was jetzt hinter der Mühle sey. In der Meinung, dies sey der Staub, welcher beim Mahlen dahin zu fliegen pflegte, ging der Müller den Vertrag ein und unterschrieb ihn mit seinem Blute. Er erhielt hierauf das Geld, brachte es heim und erzählte seiner Frau, wie er dazu gekommen. Da erfuhr er von ihr, daß er seine Tochter dem Teufel verschrieben habe, die damals hinter der Mühle die Körner aus dem Staub gelesen, um daraus das Essen zu bereiten. Sie waren nun sehr betrübt, beschlossen aber, ihrer Tochter nichts zu sagen. In der Nacht kam der Böse zur Mühle und klopfte an die Thüre; die Tochter öffnete, weil sie aber, als ein frommes Mädchen, beim Schlafengehen sich in den drei höchsten Namen mit Weihwasser besprengt hatte, konnte der Teufel sie nicht mit fortnehmen, sondern stieß sie zurück. Ebenso ging es in der folgenden Nacht, worauf der Müller, auf[97] Befehl des Bösen, das Weihwasser hinwegschaffen mußte. In Ermangelung dessen segnete sich das Mädchen am dritten Abend mit dem am Fenster angelaufenen Wasser und bewirkte dadurch, daß der Teufel, als er in der Nacht kam, ihr wieder nichts anhaben konnte. Am nächsten Morgen erzählte sie ihren Eltern, was ihr in den drei Nächten begegnet, worauf dieselben ihr Alles offenbarten. Da legte sie ihre Hand auf einen Klotz und hieb sie sich mit dem Beile ab, nachher ließ sie die andere Hand sich auch abschlagen und überließ beide dem Teufel, worauf dieselben sogleich verschwanden. Alsdann ging sie auf und davon, betete fleißig und bekreuzte sich dabei mit ihren Armen. Sie kam in einen schönen Garten bei einem fürstlichen Schlosse, in welchem sie zur Stillung ihres Hungers einige Aepfel mit dem Munde aufhob und verzehrte. Weil ihre Wunden noch bluteten, entdeckte der Fürst ihre Spur, und nachdem er derselben an zwei Tagen vergebens nachgegangen war, fand er am dritten in der Frühe mittelst seines Hundes das Mädchen in einem Busche, wo sie ruhig schlief. Sie gefiel ihm so wohl, daß er sie heirathete, wodurch sie aber nicht hoffärtig ward, sondern stets demüthig und fromm blieb. Nach einiger Zeit mußte er in den Krieg; während seiner Abwesenheit gebar sie ihm Zwillingsknaben und ließ es ihm schreiben. Der Bote, welcher den Brief überbringen sollte, schlief unterwegs an einem Waldbrunnen ein, da kam der Böse und vertauschte den Brief mit einem andern, worin unter dem Namen der Hofherren die abscheulichsten Dinge über die Fürstin gemeldet wurden. Der Fürst schrieb zurück, man solle, bis er heimkomme, seine Frau mit der seitherigen Ehrerbietung behandeln; aber als der Bote auf dem Rückweg abermals an dem Brunnen eingeschlafen[98] war, nahm ihm der Teufel wieder das Schreiben und steckte ihm ein anderes zu, worin den Hofherren befohlen wurde, die Fürstin mit ihren Kindern unverzüglich auszutreiben. Dieses ward vollzogen und ihr dabei das eine Kind auf die Brust, das andere auf den Rücken gebunden. Vor Durst schmachtend, kam sie zu dem Brunnen, konnte aber wegen ihrer an sie gebundenen Kinder sich nicht niederbücken, um zu trinken. Da rief sie Gott um Hilfe an und alsbald trat ein Mann zu ihr, band ihr die Kinder los und hieß sie ihre Arme auf den Klotz legen, der plötzlich mit ihren abgehauenen Händen vor ihr stand. Sie that es und der Mann heilte ihr die Hände so gut an, daß sie dieselben gleich gebrauchen konnte. Nachdem sie in eine Wildniß gekommen, worin kein Obdach zu finden war, betete sie um ein solches, und siehe! auf einmal stand ein Hüttlein mit Geräth und Lebensmitteln da. Dankbar bezog sie es mit ihren Kindern und führte ein frommes Einsiedlerleben. So oft ihr die Nahrungsmittel ausgingen, erhielt sie auf ihr Gebet stets neue. Als so Jahre verflossen waren, kam eines Abends zu dem Hüttlein ein Mann und bat um Nacht lager. Da sie nur ein Bett hatte, mußte sie ihn auf der Bank schlafen lassen. In der Nacht hörte er, wie die Kinder zu einander sagten: wenn sie nur ihren Vater sehen würden; er befragte darüber am Morgen die Frau und erfuhr von ihr, wie sie verstoßen worden sey. »Wenn ihr keine Hände hättet, würde ich euch für meine unschuldig verbannte Frau halten, die ich seit meiner Rückkunft aus dem Kriege schon jahrelang suche,« erwiderte er, und darauf erzählte sie ihm, wie sie ihre Hände wieder erhalten habe, und zeigte, daß sie angeheilt seyen. Da erkannten sie einander zu ihrer und ihrer Kinder großen Freude.[99] Der Fürst beschloß, ihr Einsiedlerleben zu theilen; auf das Gebet seiner Frau stand statt der kleinen Hütte eine größere mit mehr Geräth und Nahrungsvorrath da, in welcher sie Gott dienten bis zu ihrem seligen Ende.

Quelle:
Bernhard Baader: Neugesammelte Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 2, Karlsruhe 1859, S. 97-100.
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