44. Der Schatz im Ambringer Grunde.

[30] Auf dem Schloßberg im Ambringer Grunde stand vor Zeiten eine stattliche Burg, und in der Nähe war ein dazu gehörendes Bergwerk. Dasselbe lieferte an Gold und Silber so reiche Ausbeute, daß die Burgherren in einem unterirdischen Gewölbe große Schätze aufhäufen konnten. Darunter befanden sich neun silberne Kegel und drei goldene Kugeln, womit die Bergleute an Festtagen, nach der Vesper, zu spielen pflegten. Der Schlüssel des Gewölbes war von Gold und hing auf dem Altar der Schloßkirche, an dem goldenen Standbilde ihres Schutzheiligen Martin. Eine halbe Stunde von der Burg wohnte in einer Waldklause, an dem Ursprung der Felsenquelle, ein Einsiedler Namens Heini, welcher auf dem Schlosse gut bekannt war. Plötzlich wurde dieses in der Nacht von Feinden angegriffen und nach kurzer Gegenwehr eingenommen. Während sie darin raubten, alle Bewohner ermordeten und es den Flammen Preis gaben, gelang es dem Einsiedler, das Standbild des heiligen Martin nebst dem goldenen Schlüssel zu retten. In das Gewölbe kamen die Feinde nicht, und noch jetzt liegen alle die Reichthümer darin, wobei ein schwarzer Riese und ein zottiger Bär Wache halten. Auch Bruder Heini, der mit dem Standbild und Schlüssel bei dem Eselbrunnen, in tiefer Bergschlucht, begraben ist, muß als Geist die Schätze hüten. Wie bei seinen Lebzeiten geht er Mittags an der Quelle auf und ab, indem er aus einem Buche betet. Wenn man ihm ruft, bleibt er stehen, aber ohne umzuschauen.

Einen Mann aus dem Münsterthal führte er eines Abends in die verfallene Burg und darin in einen unterirdischen[31] Gang, der vorn, in der Mitte und hinten eine eiserne Pforte hatte. Die letzte derselben war eine Gitterthüre, und alle drei wurden von dem Einsiedler mit dem goldenen Schlüssel aufgemacht. Alsdann kamen sie in das Gewölbe, wo der Mann alle die Reichthümer betrachten, aber nichts davon mitnehmen durfte. Beim Herausgehen schloß Heini die Pforten wieder zu und außerhalb der Burg schied er von dem Manne.

Das Bergwerk ist längst eingegangen, und von ihm nichts mehr übrig, als ein halb verschütteter Schacht.

Quelle:
Bernhard Baader: Neugesammelte Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 2, Karlsruhe 1859, S. 30-32.
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