142. Die Iburg.

[128] In der Meinung, daß es bald Tag sei, war ein Umweger Mann in einer Mondnacht aufgestanden und,[128] um Holz zu holen, in den Wald bei der Iburg gegangen. Obwohl dieses verfallene Bergschloß längst nicht mehr bewohnt wurde, sah er doch auf dem Hofe eine Menge Leute in den verschiedensten Trachten, welche theils Kegel spielten, theils in einer ihn unverständlichen Sprache miteinander redeten. Als jene ihn erblickten, winkten sie ihm, die Kegel aufzusetzen, was er auch ohne viel Bedenken übernahm. Längere Zeit hatte das Spiel gewährt, da läutete in Steinbach die Frühglocke, und augenblicklich verschwanden Leute, Kugeln und Kegel, außer einem, den der Mann, um ihn aufzusetzen, eben in der Hand hielt. Nachdem er ihn in seinen Rückenkorb gelegt, eilte er nach Hause und erzählte, was ihm begegnet war. Zur Bestätigung langte er den Kegel hervor, aber zu seiner Verwunderung fand er, daß derselbe aus leichtem Holze sich in gediegenes Gold verwandelt hatte.

Ein sechzehnjähriger Junge aus Varnhalt, der am Tag bei der Iburg Lesholz sammelte, sah darin zwölf Männer mit weißen Bärten und schwarzen Kutten an der Kegelbahn sitzen. Sie riefen ihm zu, sie wollten Kegelschieben und er solle ihnen, gegen Lohn, aufsetzen, was er auch that, aber die Kugeln ungewöhnlich schwer fand. Als die Männer zu spielen aufhörten, gaben sie dem Jungen zur Belohnung eine der Kugeln, die, wie sich nachher zeigte, vom reinsten Golde war.

Einen andern Varnhalter führte einer, der wie ein Küfer aussah, durch ein eisernes Thor in den mit großen Fässern besetzten Burgkeller. Aus mehreren derselben gab er ihm uralten köstlichen Wein zu trinken und geleitete ihn dann wieder aus dem Keller, der seitdem von vielen vergebens gesucht worden ist.[129]

Als einst ein Schäfer an dem Schlosse weidete, kam ein Mann und sagte, er möge mit hineingehen. Jener wollte seine Heerde nicht verlassen, jedoch auf die Versicherung des andern, daß für die Schafe schon gesorgt würde, folgte er ihm. Sie gingen in den alten Thurm, wo in einem Gemache vier vornehme Männer um einen Tisch saßen und rothen und weißen Wein vor sich hatten. Davon gaben sie dem Schäfer reichlich zu trinken und fragten ihn, ob er ein Haus habe. Auf seine Antwort: daß er dazu viel zu arm sei, legten sie zweitausend Gulden zusammen und schenkten sie ihm, um sich ein Haus anzuschaffen. Nach diesem führte ihn sein Begleiter wieder hinaus zu der Heerde, die mit einem Spinngewebe, wie mit einer Hürde, umgeben war. Es war so undurchdringlich, daß die Schafe nicht eher den Platz verlassen konnten, als bis die Spinne, welche das Gewebe um sie gesponnen, dessen Fäden wieder eingezogen hatte.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 128-130.
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