243. Marten's Schatz.

[233] Bei seinen Lebzeiten hat Marten in ein unterirdisches Gewölbe seines Schlosses einen großen Schatz verborgen, welchen er heute noch hüten muß. Derselbe liegt in vielen Eisentruhen, deren zwei mit Goldstücken, die übrigen mit Silbergeld angefüllt sind.

Einst beschwor ein österreichischer Stückwärter den Geist, das Gewölbe, dessen Eingang nicht sichtbar ist, ihm zu öffnen. Nachdem er heftig mit dem Junker gekämpft und dabei manche Verletzung erhalten hatte, gelangte er zu den Truhen, aus denen er jedoch nur drei Handvoll Geld nehmen durfte, und dann wieder fort mußte.

In einer heiligen Nacht träumte einem Mann zu Singen, er solle auf den Platz, wo ehemals das Schloß gestanden, gehen und dem dort liegenden Hunde die[233] Schlüssel nehmen, dann werde der Schatz sein Eigenthum. Sobald der Tag graute, begab er sich dahin und sah unter einem Hollerbusch einen Pudel mit einem Bund Schlüssel im Maule; aber er getraute sich nicht zu ihm hin, sondern machte, daß er wieder nach Hause kam.

Vormittags um halb elf gewahrten einige Knaben im Grase des Schloßbuckels eine große Steinplatte und hoben sie in die Höhe. Da wimmelte es darunter von Goldkäfern; übers Feld aber kam ein dreifüßiger Geißbock herangerannt, vor dem die Buben davonliefen. Als sie um elf Uhr wieder an den Ort kamen, waren Platte, Käfer und Bock verschwunden.

Zwei andere Knaben sahen dort auch eine Steinplatte, auf welcher altes Geld und neben ihr eine Goldstange lag. Kaum hatte der eine etwas von dem Gelde, der andere die Goldstange genommen, so trabte ein scheckiger Hirsch herbei und scheuchte sie von dannen.

Von der Erde über dem Gewölbe füllten in der Christwoche etliche Stupfericher drei Handvoll in ein Säcklein und verschlossen es zu Hause in einen Kasten. In der Weihnacht übten sie dann, drei Stunden lang, ihre Künste, wobei außen an die geschlossenen Fenster Feuer fuhr und die Erde im Kasten fürchterlich zu poltern anfing. Aus Angst öffneten sie ihn, und im Nu waren Erde und Feuer mit der Hoffnung weg, daß Geld aus dem Gewölbe hergebracht werde.

Als eines Sonntags der Pächter der Wilferdinger Ziegelhütte in die Vormittagskirche gehen wollte, kam er, ohne zu wissen wie, zu dem Schloßbuckel, und sah mit Erstaunen darauf die ganze Burg stehen. Er ging hinein und traf eine weiße Jungfrau und einen schwarzen[234] Schreiber, welche an einem Tische, worauf eine Schrift und ein Schreibzeug, sich gegenüber saßen. Flehentlich bat ihn die Jungfrau, die Schrift zu unterschreiben, wodurch er sie erlöse, und sich zum Herrn des ganzen Schatzes mache. Aus Furcht vor dem Schreiber that er es jedoch nicht, sondern kehrte in die Ziegelhütte zurück. Dort sah er am Mittag vier Geldwagen, deren jeder mit vier Schimmeln bespannt war, vom Schloßbuckel herkommen und vorbeifahren; seine Leute aber konnten diese Fuhrwerke nicht wahrnehmen.

Auf dem Buckel zeigt sich nachts bald ein Licht, bald ein Feuer, bald ein schwarzer Mann, bald eine weiße Jungfrau.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 233-235.
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