294. Hexe in Heilbronn.

[275] Vor Zeiten war in Heilbronn eine Frau, die Wirthin zum schwarzen Adler, welche aus der Milch ihrer drei Kühe stets eine unglaubliche Menge Butter gewann. Ein ihr gegenüber wohnender Waffenschmied schöpfte daraus Verdacht, sie möge eine Hexe sein, besonders da sie immer Freitags, spät in der Nacht, die Butter ausstieß. Als er sie wieder zu solcher Zeit an dieser Arbeit allein wußte, ging er hinüber, entfernte sie, durch Bestellung von Bier, Brod und Käse, aus der Stube, und untersuchte in ihrer Abwesenheit das Butterfaß. Er fand nichts Verdächtiges, außer einen unter dem Fasse[275] liegenden Wolllappen, wovon er ein Stück abriß und zu sich steckte. Nach schneller Verzehrung des Bestellten eilte er nach Hause, hieß seine Frau sogleich Butter ausstoßen und schob das mitgebrachte Stück Lappen heimlich unter das Fäßlein. Die Frau hatte nur einen Viertelschoppen Rahm, dennoch gewann sie daraus, zu ihrer großen Verwunderung, einen mächtigen Klumpen Butter. Bald nachher schellte jemand am Haus, es war ein Knecht mit einem Pferde, das noch jetzt, so spät in der Nacht, beschlagen werden sollte. Der Schmied verrichtete zwar dieses Geschäft, nahm jedoch, weil ihm die Sache verdächtig war, keinen Lohn dafür. Nachdem der Knecht mit dem Pferde sich entfernt hatte, kam er in Kurzem allein mit einem Buch zurück und sagte, es sei besser gethan, ihm etwas zu schenken, als seinem reichen Herrn. Er habe die Bescheinigung für das Beschlaggeld in dem Buch entworfen, der Schmied solle sie nun unterschreiben, dann könne er seinem Herrn das Geld aufrechnen. Der Schmied nahm das Buch und schrieb hinein: »Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, mache uns rein von allen Sünden! Amen.« Da fuhr der vorgebliche Knecht, das Buch zurücklassend, mit fürchterlichem Gebrülle zum Fenster hinaus und riß den ganzen Kreuzstock mit. Nicht lange darauf fand die Schmiedin, daß der Klumpen Butter verschwunden, und statt dessen nur ein kleines, ihrem wenigen Rahm entsprechendes, Stücklein vorhanden war. Am andern Morgen hieß es, die Adlerwirthin sei schwer krank. Der Schmied muthmaßte nun gleich, daß sie das Pferd gewesen sei, ging gerade zu ihr, riß die Decke, worin sie tief verhüllt war, hinweg und sah, daß sie an Händen und Füßen Hufeisen hatte. Unverzüglich holte er ihren Mann herbei, der, nachdem er den Beschlag[276] gesehen und das Uebrige erfahren hatte, selbst seine Frau bei der Obrigkeit anzeigte. Sie ward hierauf eingezogen und, nach beendigter Untersuchung, als Hexe auf dem Richtplatz verbrannt.

Das Fenster, zu dem der Teufel hinaus gefahren, ist zwar zugemauert, aber noch allgemein in Heilbronn gekannt. Auch soll daselbst das Buch noch vorhanden sein, worin die Namen vieler stehen, die sich dem bösen Feinde verschrieben hatten.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 275-277.
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