320. Wunderbare Erscheinung bei Kirlach.

[294] (Aus der Verhandlung des Amts Filippsburg v. 11. April 1838.)


Mondtags den 2. April 1838, mittags um dreiviertel auf zwölf, zeigte sich zwischen Kirlach und Kronau eine wunderbare Erscheinung. Ueber sie hat Steueraufseher Adam Huckele, welcher ihr am nächsten gewesen, beim Amt Filippsburg Folgendes auf Handgelübde ausgesagt.[294]

»Der Himmel war heiter, und die Sonne schien hell. Als ich an die Wiesen kam, welche diesseits, am linken Ufer des Kriegbachs, liegen, hörte ich plötzlich auf denselben, etwa vierzig bis fünfzig Schritte von mir, einen unterirdischen Donner, welcher kaum eine Minute dauerte. Während dessen stieg der Boden des Wiesengeländes fußhoch empor und wälzte sich wellenartig durcheinander. Hierauf geschah ein starker Donnerschlag aus der Erde, die dabei sich wagrecht über zwei Fuß erhob. Ich bemerkte weder Dampf, noch spürte ich Schwefelgeruch. Nach einigen Sekunden erfolgte aus den Wiesen ein zweiter, heftigerer Donnerschlag, wobei der Boden sich senkte, und plötzlich das Gelände voll Wasser stand, das brausend Wellen schlug, in denen ich tausend und abermals tausend Gestalten erblickte, ohne daß ich, wegen ihrer schnellen Bewegung, sie zu erkennen vermochte. Als dies eine Minute gewährt hatte, kam der dritte, gewaltigste Donnerschlag, und zugleich stieg aus den Wiesen eine dicke Wassersäule mit starkem Geräusch einige hundert Fuß hoch empor und fiel dann, in Staub aufgelös't, zur Erde. Aus dieser erhob sich nun die Gestalt eines kleinen Kindes, aufrecht stehend und beide Arme gegen Himmel streckend, und stieg mit Blitzesschnelle senkrecht in die Höhe. Mehrere tausend Vögel, von der Größe der Sperlinge, verfolgten wildschreiend diese Gestalt. Als dieselbe so hoch in der Luft war, daß ich sie kaum mehr sehen konnte, senkte sie sich schräg abwärts und strich etwa dreißig Schritte von mir vorüber. Jetzt war es aber, wie ich deutlich erkannte, nicht mehr ein Kind, sondern ein, etwa zwei Fuß langes, Fischgerippe, dem noch immer ein großer Theil der Vögel, unter heftigem Geschrei, nachsetzte. Mit ihnen ließ[295] es sich in den nahen Wald nieder und entzog sich dadurch meinen Blicken. Nachdem alles ruhig geworden, wagte ich es, den Platz, wo diese Erscheinungen ausgegangen, zu untersuchen; allein, zu meinem Erstaunen, fand ich alles so, wie wenn gar nichts vorgefallen wäre. Der Boden war fest, ohne Wasser, und von einer Oeffnung darin keine Spur zu sehen. Eben so wenig konnte ich in dem Walde, worein das Gerippe sich niedergelassen, irgend etwas entdecken.

Den dreimaligen Donnerschlag, das Brausen der aufsteigenden Wassersäule und das zischende Geschrei der großen Vogelmasse wollen Leute in einer halbstündigen Entfernung vernommen haben.«

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 294-296.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden
Neugesammelte Volkssagen Aus Dem Lande Baden Und Den Angrenzenden Gegenden (Paperback)(German) - Common
Volkssagen Aus Dem Lande Baden Und Den Angrenzenden Gegenden (Sammlung Zenodotbibliothek Der M??rchen) (Paperback)(German) - Common
Volkssagen Aus Dem Lande Baden Und Den Angrenzenden Gegenden
Neugesammelte Volkssagen Aus Dem Lande Baden Und Den Angrenzenden Gegenden
Neugesammelte Volkssagen Aus Dem Lande Baden Und Den Angrenzenden Gegenden