355. Geisterkirche.

[319] Eine Frau zu Heidelberg, welche in die Christmette wollte, kam irriger Weise, statt um zwölf, schon um elf Uhr an die Jesuitenkirche. Sie ging durch die offene Thüre, besprengte sich mit Weihwasser und knieete in[319] einen der vordern Stühle. Auf dem Hochaltar brannten die Lichter, und an ihm saßen zwölf Geistliche in ihrer kirchlichen Kleidung, still und unbeweglich. Hieran, so wie am Leerbleiben der Kirche, merkte endlich die Frau, daß sie zur unrechten Zeit gekommen sei. Sie beendete nun ihr Gebet und wollte die Kirche verlassen, wobei sie wieder sich mit Weihwasser segnete. Da sprach ein Geistlicher, der am Weihkessel stand und gerade so aussah, wie die am Altare: »Das war dein Glück, daß du noch einmal Weihwasser genommen hast!« Nach diesen Worten verschwand er. Heftig erschreckt eilte die Frau zur Kirchenthüre, fiel aber dort in Ohnmacht, woraus sie erst die Leute erweckten, die nachher in die Christmette kamen. In Folge des Schreckens starb die Frau nach einigen Tagen.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 319-320.
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