383. Die Zerstörung des Klosters auf dem Gotthardsberge.

[337] Als im dreißigjährigen Kriege die Schweden in Aschaffenburg waren, hörten sie einst das feierlich-schöne Läuten einer entfernten Glocke. Sie spürten nach, wo diese sei, und kamen dadurch zu dem Frauenkloster auf dem Gotthardsberge bei Amorbach. Dasselbe nahmen sie ein, plünderten und verheerten, wobei sie vielen Fässern den Boden einstießen und den Wein in den Keller laufen ließen. Den Nonnen erklärten sie, sie müßten lutherisch werden, oder sterben. Alle Klosterfrauen, ohne Ausnahme, wählten das letztere. Auf dieses schlugen die Schweden in die eingestoßenen Fässer lange Eisennägel, daß deren Spitzen weit in das Innere ragten, warfen die Nonnen, nachdem sie ihnen alle Kleidungsstücke vom Leib gerissen, in die Fässer, machten diese wieder ganz zu, und ließen sie dann von der Höhe des Berges in das Thal hinabrollen. Eine der Klosterfrauen hatte sich zum Altar geflüchtet und Gott gebeten, sie vor einem solchen Martertode zu bewahren; allein sie wurde von den Schweden aus der Kirche gerissen und gleich ihren Schwestern behandelt. Das Faß, worin sie hinabstürzte, fiel in den Bach, trieb darin bis in den Main, und in diesem, nach einiger Zeit, ans Ufer. Dort fanden es Leute aus der Gegend, und als sie es öffneten, sieh! da war die Nonne lebend und unversehrt, ja, auch nicht den kleinsten Schmerz hatte sie erlitten. Mit Hülfe der Leute gelang es ihr, nach Würzburg zu kommen, wo sie in ein Kloster ging und nachmals im Rufe der Heiligkeit starb. Die andern Klosterfrauen vom Gotthardsberg[338] hatten alle in den Fässern das Leben verloren, und weil diese theils in das unergründliche Wasser unten am Berge, theils in den Bach gerollt waren, erhielt jenes den Namen Pfaffenloch und das Wehr, welches dort im Bach ist, die Benennung Nonnenwehr. Die meisten Fässer waren jedoch in den sogenannten See gestürzt und aus ihm ertönt noch jetzt der Chorgesang der Nonnen. Nachdem die Schweden noch das Kloster angezündet hatten, verließen sie es und machten dadurch den Geistlichen der Abtei Amorbach es möglich, die schöne Glocke, welche wegen ihrer Größe der Kessel hieß, aus dem Feuer zu retten. Um deren starken Klang zu mildern, welcher das Unglück über das Frauenkloster gebracht hatte, schlugen sie einen Nagel hinein und hängten sie dann, als Hauptglocke, in ihren Kirchthurm.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 337-339.
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