397. Das Wertheimer Bergschloß.

[352] In einer Fehde zwischen Würzburg und Wertheim drohte der Bischof dem Grafen: er werde, wenn derselbe nicht nachgäbe, ihm das Wertheimer Schloß schleifen. Auf dieses ließ der Graf, an der Außenseite des ersten Schloßthurms gegen Würzburg, zehn dicke Eisenringe einfügen und dann antworten: er habe, um des Bischofs Vorhaben zu erleichtern, seine Burg bereits mit starken Ringen versehen; derselbe solle nun mit Stricken kommen, sie an die Ringe binden und dann die Veste schleifen, wohin er möge. Noch heutiges Tags hängen die Ringe an dem Thurme, und er trägt von ihnen den Namen Ring- oder Ringelthurm.

Ehe das Schloß zerstört war, ging von ihm ein unterirdischer Gang an den Main und ein anderer in das, eine halbe Stunde entfernte, Dorf Eichel. Die Eingänge beider sind noch am Ringelthurm zu sehen.

In dem noch benutzten Vorgebäude wird ein lederner Riemen aufbewahrt, der demjenigen, welcher ihn um hat, Glück auf der Jagd und die Gabe verleiht, wahrzusagen und sich in einen Hasen zu verwandeln.

Auf der Beifeste ist ein Riesengrab, und in der Nähe des Pulverthurms stand das Hexenbäumchen, dessen Krone von den Hexen wie ein Korb geflochten war. Darauf pflegten sie sich nachts zu setzen und, auf dem Hexenwieslein, darum zu tanzen. Jetzt ist das Bäumchen weggehauen.

Vor etwa vierzig Jahren ward ein Thurm der Burg abgebrochen. In der Nacht darauf ließ sich im Urkundensaal ein fürchterliches Getös hören. Als man am[353] Morgen dort nachsah, lag auf dem Tisch eine aufgerollte Urkunde, von der niemand wußte, wie sie hieher gekommen, worin stand, daß von dem Schlosse nichts niedergerissen werden solle.

Eines Sonntag Mittags zwischen elf und zwölf sah ein Bäckergesell in der Burg zwei Reihen Säcke stehen, die oben offen und mit verschiedenen schönen Getreidearten gefüllt waren. Unbeschrieen steckte er von jeder derselben zu sich und ging dann weiter im Schloß umher. Als er es verließ, waren die Säcke hinweggekommen. Erst am andern Tage dachte er wieder an die mitgenommenen Fruchtkörner, und als er sie hervorholte, fand er sie in mancherlei Gold- und Silbermünzen verwandelt.

Die Säcke zeigen sich auf der Burg nur alle hundert Jahre.

An einem kalten Wintertage ging eine Frau aus der Kemnate auf das Schloß, wo sie in einem Eck einen schöngrünen Platz antraf, während alles herum voll Schnee lag. Sie holte eilig einen fürstlichen Bedienten herbei, fand aber nun den Platz auch mit Schnee bedeckt. Die Grüne hatte das Dasein eines Schatzes angezeigt, welcher der Frau, wenn sie sich gehörig benommen hätte, zu Theil geworden wäre.

Auf den Plätzen, wo Schätze vergraben sind, brennen in manchen Nächten Feuer oder blaue Lichter. Ein solches Feuer ward einmal so groß, daß es den ganzen Berg erhellte, gleich nachher aber wieder klein. Auf eines der Lichter, das unter des Thürmers Wohnung brannte, ging derselbe stillschweigend zu, während dessen aber fragte ihn sein Sohn, wo er hinwolle, und im Augenblick war das Licht erloschen.[354]

Im Sommer 1841 spielten Sonntagabends zwischen vier und fünf etliche Kuaben von Wertheim in dem Birkenwald, der an die Burg gränzt. Auf einmal hörten sie schellen, sie sahen hin und erblickten einen Leichenzug, welcher aus dem Herrngarten bei Eichel dem Schlosse zu ging. Voran schritt einer mit einer kleinen Krone auf dem Haupte, ihm folgten acht, die einen Sarg trugen, und alle neun waren wie katholische Geistliche gekleidet. Als sie an den Schlagbaum kamen, der bei der Eichelsteige den Fürstenweg sperrt, erhoben sie sich in die Luft und schwebten hinüber. Da ergriff die Knaben ein solcher Schrecken, daß sie über Hals und Kopf davonliefen.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 352-355.
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