446. Geisterkirche.

[385] Zu Karlstadt geschah es, daß eine fromme Magd in einer Adventsnacht erwachte und läuten hörte. In der Meinung, es sei Zeit ins Rorate, zog sie sich an und ging nach der Kapuzinerkirche. Unterwegs noch vernahm sie das Geläute. Als sie an die Kirche kam, wurde darin zur Orgel gesungen, und die Fenster waren hell erleuchtet. Sie ging durch die offene Thüre hinein, es war am ersten Segen und sie knieete schnell in einen Stuhl. Später fiel es ihr auf, daß andere Lieder, als[385] die gewöhnlichen, gesungen wurden; sie schaute umher, erkannte in dem Priester und mehreren andern Verstorbene aus dem Orte und merkte nun, daß sie unter lauter solchen sich befinde. Voll Schrecken floh sie aus der Kirche, und kaum war sie vor der Thüre, so schlug es Mitternacht. Da, mit einem Mal, verstummte in der Kirche Gesang und Orgel, die Lichter erloschen, und ein Windstoß warf die Thüre zu.

Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 385-386.
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