490. Laß die Todten ruhen.

[410] Einem Schulmeister aus Predel, der seinen Sohn auf der Klosterschule in Eisleben besuchte, wurde von demselben die dazu gehörende Kirche gewiesen. Sie kamen an ein steinernes Nonnenbild, welches, wie alle solche Bilder, anzeigt, daß daselbst eine Klosterfrau eingemauert worden ist.1 »Schade um dich, daß sie dich eingemauert haben!« sagte der Schulmeister, indem er das Bild in die Wange kneipte, und als sein Sohn ihn ermahnte, die Todten in Ruhe zu lassen, machte er es nochmals so. In der folgenden Nacht um elf, wo er bei seinem Sohne lag, und beide noch wachten, kam die Nonne zur Thüre herein, trat zum Bette, schaute hinein und ging, nachdem sie den Sohn vorn liegen gesehen, unten herum an die hintere Seite. Dort kneipte sie mit ihrer eiskalten Hand den Vater zweimal in den Backen und verließ dann wieder die Stube. Nachher hat der Schulmeister nie mehr sich unterfangen, mit den Todten Scherz zu treiben.

Fußnoten

1 Diese irrige Meinung ist unter dem protestantischen Volke ziemlich verbreitet.


Quelle:
Bernhard Baader: Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Band 1, Karlsruhe 1851, S. 410-411.
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