Fünfter Auftritt.

[95] Allgemeine Stille. Die zurückgebliebenen Officiere sehen einander an.


ALTER OBRISTWACHTMEISTER blutend.

Laß ziehn die Narren!

MEHRERE OFFICIERE.

Fort mit ihnen, auch

Nach Mitternacht!

ANDERE.

Es lebe hoch der Obrist-

Wachtmeister! hoch! Zum Teufel mit den Andern!


Die Sonne geht unter.


ALTER OBRISTWACHTMEISTER.

Wir sind nur Hunde!


Alle versammeln sich um den blutenden Alten.


EINER laut.

Warum lassen wir

Uns von den Knaben hetzen? Rufen wir

Den Obristwachtmeister zum General

Der hies'gen Truppen aus! Es liebt das Heer ihn.

Wir sind die Stärksten hier!

ALLE ZURÜCKGEBLIEBENEN OFFICIERE.

Der General

Wachtmeister lebe!


Ziehn die Degen.


DIE WACHE präsentirt.

Hoch!

KALMUCKENHAUPTMANN.

Er commandir' uns!

Und sitze vor sogleich am Tisch! Es sind

Noch sechzig Flaschen ungeleert –

COMMANDANT DER FESTUNG.

Und hundert

Bouteillen liegen draußen noch im Sand,

Die Wirbelzopf für morgen aufbehalten.[95]

ALTER OBRISTWACHTMEISTER.

Man theile sie sogleich den Corporalen

Im Lager aus!

WACHTHABENDER CORPORAL vorne.

Ein ächter Generals-

Befehl! In aller Corporale Namen:

Hoch unserm General!

ALLE.

Hoch! hoch!

CORPORAL eilt vom Zelt und spricht leise mit den ringsum versammelten Soldaten. Laut.

Um Mitternacht!

ROMANIER, TATAREN, KALMUCKEN, KOSAKEN, KROATEN UND ZIGEUNER.

Es lebe hoch der General-Wachtmeister!

Der Generalfeldmarschall und der Herzog!

CORPORAL zu den Soldaten.

Jetzt, Cameraden, kommt und sauft!

KOSAKENHAUPTMANN.

Und wir –

Vollenden wir das frohe Siegesmahl,

Bevor der Sieg uns überrascht!


Alle setzen sich wieder um den Tisch, der Obristwachtmeister oben in der Mitte.


OBRISTWACHTMEISTER sein Glas nehmend, während der Feldchirurgus ihn verbindet.

Dem Siege!

KALMUCKENHAUPTMANN anstoßend.

Dem Sieg!

KROATENHAUPTMANN das Glas in der Hand.

Dem Sieg!

ROMANISCHER HUSARENOBRIST ebenso.

Dem Sieg!

GRAUER MANTEL mit dem Festungscommandanten anstoßend.

Dem Wohlbewußten!


Sie trinken Alle, mit jedem neuen Glase eine neue Gesundheit bringend – des neuen Generals – des neuen Oberhofmarschalls[96] im Tollhause – der Armee – der romanischen Mädchen – der

Herzogin – der Festung Dummliz – des jauerschen Tollhauses sogar; bis sie unter Gläserklirren und Trompetenstößen allmälig Alle einnicken. Der Festungscommandant und der Graue Mantel stehen auf, und treten im leisen Gespräch mit einander aus dem Zelt.


GRAUER MANTEL halblaut.

Es wäre jetzo Zeit –

SOLDATEN links – zu dem dicken Eilboten, der sich bei ihnen gelagert.

Wird also morgen

Wohl aufgebrochen?

FELDCOURRIER.

Freilich!

FESTUNGSCOMMANDANT zu dem gelagerten Haufen.

Cameraden!

Entfernt Euch einen Augenblick!

EIN SOLDAT murrend.

Er braucht

Viel Platz zum –

FELDCOURRIER brummend.

Donner! – Niemals Ruhe!

KROAT stößt ihn mit dem Kolben auf den Hintern.

He! Platz da für den Commandanten!


Der Haufe verliert sich allmälig, und der

Festungscommandant bleibt allein im Vorgrund zur Linken mit dem Mann im grauen Mantel.


Quelle:
Baggesen, Jens: Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer. Jens Baggesen's Poetische Werke in deutscher Sprache, Bd. 3, Leipzig 1836 [Nachdruck: Bern, Frankfurt am Main, New York 1985], S. 95-97.
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