Sechster Auftritt.

[301] HANS WURST allein.

Habe zur Noth, mit großer Schwier',

Im Zaum gehalten das Stück bis hier,

Daß nicht zu weit aus einander schwirre

Der Scenen und der Personen Gewirre!

Daß in dem gewaltigen Siebengang

Noch bleib' ein bischen Zusammenhang;

Doch jetzt muß ich alle Hoffnung verlieren,

Es länger zu bändigen und zu regieren.

Seitdem sich der Faust das Peitschen erlaubt,

Ist aller Muth mir für immer geraubt –

Sie kehren zurück zu den eignen Rollen

Und sagen nicht mehr, was im Stück sie sollen –

Extemporiren, und kommen, und gehn,

Ohn' auf die winkende Hand zu sehn,

Ohne mein Stichwort anzuhören; –

Wollen nicht bloß in dem Stück zerstören,

Was in dem Plan zu zerstören war;

Sondern Alles ganz offenbar; –

Haus und Bühne, Geschicht' und Fabel

Sind sie mir ganz zu zerstören kapabel.

Während man nur an dem Drama schrieb,

Da war ich Allen gar werth und lieb,

Machten mir viele Complimente

Wegen Geschicklichkeit und Talente,

Wegen Grammatik und Orthographie, –

Nur ohne Gemüth und ohne Genie, –

Gaben mir drum ihre sieben Sapphire,

Daß ich sie schleife und fein polire,

Daß ich sie fasse in einen Ring,

Wie ich am besten verstände das Ding.

Also setzt' ich aus ihren Flammen[301]

Diese dramatische Sonne zusammen;

Spannend doch eigne Pferde vor

In mancher Scen', und zumal im Chor.

Angesehen der Phöbus Sol

War ganz ein andrer Phöbus Apoll.

Setzten sich selbst, als Weise, in Karren,

Und mich Hans Wurst auf den Bock als Narren;

Selber sie sieben Apollo's waren;

Dennoch erlaubten sie mir zu fahren,

Und so ging es bis jetzt gemuth –

Leidlich im Gleise, wenn auch nicht gut;

Denn sie ließen mich ruhig lenken,

Ohne was Weitres dabei zu denken;

Bis sich der Faust auf die Peitsche besann –

Und plötzlich auf Kutscher sowohl als Gespann

Fing an klitsch klatsch mit Gewalt zu schmettern,

Als ging' es in tausend Donnerwettern;

Mir blitzt' und knallt' um's Aug' und um's Ohr,

Daß ganz aus der Hand ich den Zügel verlor.

Jetzunder sollen den Papst sie wählen;

Dabei wird's schwerlich an Zwiespalt fehlen.

Denn nimmermehr kommen sie überein;

Ich fürcht', es wird geben ein höllisch Schrein.

Ich habe zwar selbst in den Schluß gewilligt,

Und die Katastrophe gar sehr gebilligt,

In wiefern nach des Stückes Tendenz

Drin ist hinlängliche Consequenz;

Aber den Papst, der im Stück gegeben,

Werden sie wieder im Spiel aufheben.

Denn sie spielen im Spiel nicht mehr,

Sondern es ist ihnen Ernst gar sehr. –

Indeß, sie mögen es kehren und wenden,

So toll sie wollen, es wird doch enden. –

Daß gar nichts dauert, wie's auch gestellt,

Daß jedes Gebäude zuletzt doch fällt,

Ist der einzige Trost in dieser Welt![302]


Quelle:
Baggesen, Jens: Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer. Jens Baggesen's Poetische Werke in deutscher Sprache, Bd. 3, Leipzig 1836 [Nachdruck: Bern, Frankfurt am Main, New York 1985], S. 301-303.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer
Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer

Buchempfehlung

Goldoni, Carlo

Der Diener zweier Herren. (Il servitore di due padroni)

Der Diener zweier Herren. (Il servitore di due padroni)

Die Prosakomödie um das Doppelspiel des Dieners Truffaldino, der »dumm und schlau zugleich« ist, ist Goldonis erfolgreichstes Bühnenwerk und darf als Höhepunkt der Commedia dell’arte gelten.

44 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon