103. Das Teufelsgitter zu Wismar.

[91] Das Gitter um den Taufstein der Marienkirche in Wismar ist von so kunstreicher Eisenarbeit, daß es fast aussieht, als sei es von lauter ineinandergeflochtenen Stricken zusammengesetzt. Die Sage berichtet, daß der Meister, der es anfertigte, sich dem Teufel verschrieben und dieser das Gitter für ihn gemacht habe.

Nach anderer Überlieferung war es im Jahre 1344, daß ein Schlossergeselle zu Wismar, der seines Meisters einziges Töchterlein liebte, aber von dem Meister zurückgewiesen wurde, wenn er nicht hundert Goldgulden zum Mahlschatz bringen könne, einen feinen Herrn getroffen, dem er auf Befragen den Grund seiner Betrübniß erzählte. Darauf erklärte sich der Herr bereit, ihm zu helfen; er werde am andern Morgen kommen und ein Gitter um den Taufstein bestellen, das aus einem Stücke geflochten sein müsse. Das werde keiner übernehmen wollen, da solle er, der Geselle, sich dazu erbieten. Wenn er es in der Zeit vom Hahnenschrei bis Nachts ein Uhr vollende, dann bekomme er hundert Goldgulden, wenn nicht, so gehöre er ihm. Der Geselle wußte nun wohl, mit wem er zu thun hatte; aber er ging den Vertrag ein, den er mit seinem Blute unterzeichnen mußte. Es war nur noch ein Stift einzunieten, da hörte er, wie die Glocke Eins ansagte. In seiner Angst rief er die Mutter Gottes an. Da schlug es Eins, ein furchtbares Geheul ertönte und der Geselle fiel besinnungslos hin. Als er erwachte, lag sein Contract und die hundert Goldgulden neben ihm. Er beichtete Alles und erhielt nicht nur Verzeihung, sondern auch von seinem Meister die Hand seiner Tochter. Die Arbeit war vollendet, doch ist das eine Loch bis auf den heutigen Tag ohne Niet geblieben.


Lehrer C. Struck in Waren nach Mittheilung einer Matrone; vgl. Niederhöffer 2, 27 f. 3, 148 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 91-92.
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