110. Der Tannenkrug bei Dassow.

[96] Zwischen Dassow und Schlutup, unweit der alten Lübecker Landstraße, auf einem jetzt öden Fleck, stand früher ein Gasthaus, der Tannenkrug, nach dem benachbarten Tannenwald genannt. Darin ging es oftmals recht wild und wüst her, besonders an Sonn- und Festtagen. So auch an einem Himmelfahrtstage. Nachmittags stellte sich ein Geiger ein und es wurde getanzt. Eine halbe Stunde später näherte sich ein Mann der Schenke, in dem man einen Geistlichen erkannte, der einen Sterbenden im nahen Dorfe besuchen wollte. Der Geiger forderte die Anwesenden auf, den Tanz einzustellen, bis der Geistliche vorüber sei; man lachte ihn aus und nöthigte ihn, einen neuen Tanz zu spielen. Nicht lange, so zog ein Gewitter herauf, ein furchtbarer Donnerschlag ertönte. Der Geiger warf seine Fiedel fort und eilte ins Freie. Kaum war er fünfzig Schritte weit, als ein neuer Donnerschlag erfolgte und das Haus in der Erde versank. Zitternd erreichte der Geiger sein Dorf. Man hat Nachgrabungen[96] vorgenommen, aber die am Tage aufgeworfene Erde wurde in nächster Nacht immer wieder verschüttet.


Seminarist G. Bannier; vgl. Niederh. 3, 69.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 96-97.
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