2.

[100] Auf dem Hofe Großen-Methling wohnte ein alter geiziger Pächter, der jährlich das Korn aufschüttete in der theuren Zeit. Viel Gold und Silber lag ihm aufgehäuft in Kisten und Schränken; allein hart war sein Herz gegen Untergebene und Arme, und täglich spielte er Karten.

Einstmals an einem Pfingstmorgen, während die Leute zum Gotteshause zogen, wanderte er hinaus aufs Feld, um die Saat zu besehen und die Ernte zu berechnen. Da fährt auf der Landstraße daher ein Mann mit schwarzen hochbäumenden Rossen. Neben ihm hält er an und steigt ab. Ein rother Mantel hing ihm weit über die Füße weg, und dreieckig war sein Hut. ›Habt ihr Korn zum Verkauf?‹ fragte er den Pächter; ›ich gebe euch doppelte Preise.‹ ›Wenn das ist,‹ sagte der Pächter, ›so mags darum sein. Kommt mit mir und esset bei mir!‹ Sie gingen zusammen. Als sie auf den Hof kamen, da flogen mit Geschrei die Hühner und Enten alle davon, als ob ein Raubvogel daher zöge, und der Hofhund knurrte und heulte abwechselnd. Sie traten in die Stube. Ein solcher Gast muß herrlich bewirthet werden, dachte der Landmann, und ließ große Schüsseln mit Fleisch und kräftiges Bier auftragen. Der Fremde aber setzt sich zum Mahle und neckt ungebührlich die aufwartende Magd und reißt ihr die Schürze ab. Da fällt aus seiner Hand ein Messer nieder. Das Mädchen bückt sich, um es aufzunehmen; da sieht sie an den Füßen des Fremden einen Pferde- und einen Hühnerfuß! Erschrocken eilt sie hinaus zur Hausfrau; diese erzählt es dem Manne. In der Eile wird der Geistliche des Dorfes geholt. Er kommt im ganzen[100] Summarium, die Bibel unter dem Arme. Da ruft der Fremde ihm entgegen ›was willst du von mir? Dich kenne ich. Du stahlst als Knabe deinem Mitschüler ein Messer.‹ Der Geistliche tritt beschämt und verwirrt zurück und der Fremdling läßt sich das Mahl gut schmecken unter vielen Gotteslästerungen. Inzwischen holt man im Wagen den Geistlichen aus dem nahen Brudersdorf. Er kommt mit der Bibel unter dem Arme im ganzen Summarium in die Stube. ›Au weh, au weh!‹ ruft der Fremde und schaudert in eine Ecke zurück; ›erbarme dich mein!‹ Du kommst mir nicht anders aus dieser Stube, spricht der Geistliche, als durch diese Thür und bei dieser Bibel vorbei.

Da entsteht draußen ein Tosen, wie wenn der Sturm sich erhebt. Ein blauer Nebel sammelt sich über dem Hause. Den Leuten ward bange, und sie baten den Geistlichen. ›Nun,‹ sprach er, ›so öffnet das Fenster! Fahre aus, du unsauberer Geist.‹ Da fährt's hinaus wie ein Sturmwind mit gewaltigem Krachen. Die Fensterlucht war ausgerissen, der Nebel verschwunden, und auf dem Scheurengiebel dem Hause gegenüber sitzt der Böse und lacht sie Alle aus. Dann verschwindet er.

Der Pächter aber ward von der Zeit ab ein frommer Mann.


Mussäus in den Meklenburg. Jahrbüchern 5, 93-95.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 100-101.
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