116. Ritter Henneke.

[103] Eine halbe Meile von Röbel liegt das Rittergut Ludorf, auf welchem früher das längst ausgestorbene Geschlecht Derer von M. wohnte. Ein Sprosse dieses Geschlechtes, Ritter Henneke, war wegen seines wilden, sündhaften Lebens berüchtigt. Er lebte in Saus und Braus und verpraßte sein Geld, so daß er in Schulden gerieth und zuletzt sein Gut verpfänden mußte.

Einstmals erschien auf dem Hofe ein fremder Pferdehändler. Niemand kannte ihn, aber Alle fürchteten sich vor seinem unheimlichen Aussehen. Der Pferdehändler ließ sich bei dem Ritter melden und bot ihm ein rabenschwarzes Pferd, mit langen starken Mähnen, von riesigem Wuchse und Körperbaue und wildem Ansehen zum Kaufe an. Henneke, der ein kühner Reiter und Pferdefreund war, fand Gefallen an dem Thiere und befahl seinem Reitknecht, es vorzureiten. Der Reitknecht versuchte es, wurde aber alsbald abgeworfen; wie oft er den Versuch auch wiederholte, keinmal wollte es besser glücken. Da ward der Ritter zornig, schlug ihn mit der Peitsche und rief seinen Kutscher. Auch diesem glückte es nicht, und ebensowenig einem von den übrigen Knechten. Endlich bestieg es der Ritter selber, stieß ihm die Sporen in die Seite, daß das Blut nur so herunterfloß und zwang mit starker Hand das Pferd zum Gehorsam. Als er es eine Weile geritten, fragte er den Pferdehändler nach dem Preise. Dieser forderte eine hohe Summe. Henneke wollte das Geld holen, aber es fand sich, daß er nicht so viel hatte. Da sagte er zu dem Händler ›Ich will euch noch die Glocken vom eingestürzten Kirchthurm geben.‹ ›Topp,‹ sagte der Andere, ›in drei Teufels Namen.‹ Die Glocken wurden aus dem Schutt des Thurmes hervorgesucht und der Pferdehändler zog von dannen.[103]

Bald darauf mußte Henneke, über und über verschuldet, Ludorf räumen und siedelte sich in einem Häuschen in Röbel an. Gern hätte er das Pferd auch verkauft, aber Niemand wollte es ihm abkaufen, denn die Leute meinten, es sei kein ordentliches Pferd, sondern der Böse stecke darin.

In Elend starb Henneke 1638 an der Pest in Röbel, ohne sich bekehrt zu haben. Drum ward ihm auch kein christliches Begräbniß zu Theil, sondern auf einer Schleife wurde er von seinem schwarzen Rosse nach dem Kirchhof geschleppt und dort verscharrt. Von der Gruft lief das Pferd in rasender Schnelle von dannen und wurde einige Tage darauf in einem Brunnen todt gefunden.


Niederh. 1, 66 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 103-104.
Lizenz:
Kategorien: