127. Der Hexenbaum von Ulrichshusen.

[111] Das 1562 erbaute Ritterschloß Ulrichshusen bei Malchow ist das einzige seiner Art in Meklenburg, welches, aus dieser Zeit stammend, noch ganz in seiner ursprünglichen Form erhalten ist. Das alte Thorhaus trägt, außer dem Bilde seines Erbauers, eines Ulrich von Maltzan, auch noch seine alte, also lautende Inschrift:


›Ulrichshausen ist mein Nahm.

Wer Herberg in mir will han,

Der nem vor gut Stube und Gemack

Und was Küch und Keller vermag

Und nem den Willen vor die That

So wird dem Gaste guter Rat.‹


Zur Zeit der Hexenverfolgungen war auch ein Untergebener des Ulrichshusener Burgherrn, ein alter Arbeitsmann mit blöden Augen und grauem Haar, böswilligerweise von einem ihm feindlich gesinnten, gottlosen Schäfer der Hexerei angeklagt worden. Sogleich wurde dem Alten der Proceß gemacht und er zum Feuertode verurtheilt. Am nächsten Tage schon führte man den Unglücklichen auf einen nach Marxhagen hin liegenden Hügel, band ihn an den Pfahl und thürmte ein hohes Feuer um ihn auf. Vor seinem Ende flehte jedoch der alte Mann laut zu Gott: Er möge, zum Zeichen seiner Unschuld, ein Wunder geschehen lassen. Als der Scheiterhaufen heruntergebrannt war, da schoß plötzlich auf der Brandstätte, aus dem noch heißen[111] Erdboden, ein gar wunderbarer, hoher Baum hervor, wie ihn noch nie zuvor ein Menschenauge gesehen. Der Baum hatte weder Blätter, noch trug er Früchte. Alles Volk, das da herbeigeströmt war, das schreckliche Schauspiel mit anzusehen, entsetzte sich ob dieses Gotteswunders, und erkannte jetzt mit Schrecken die Unschuld des alten Arbeitsmannes. Den gottlosen Schäfer, seinen böswilligen Verleumder und Mörder aber, fand man am nächsten Morgen mit gräßlich verzerrten Zügen und mit ausgerissener Zunge todt auf dem Acker liegen; der Teufel hatte ihn in der Nacht zu Tode gehetzt und ihn also, wie ers verdient, gerichtet.

Lange Jahre hiernach, bis in die neueste Zeit, stand noch der wunderbare Baum mit seinen kahlen Zweigen, dessen Holz anfänglich so hart gewesen sein soll, daß auch die schärfste Axt nicht hineinzudringen vermochte, und das Volk nannte ihn allgemein nur den Hexenbaum.


Niederh. 4, 59 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 111-112.
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