128. Kampf mit einer Teufelin.

[112] Der Tagelöhner Georg Maaß zu Neu-Gaarz erzählte: Im Jahre 1845 diente ich als Pferdeknecht bei dem damaligen Gutspächter Gustav Stein zu Alt-Gaarz, zugleich mit den beiden Schäferknechten Johann Peters und Karl Rieck. Ersterer, eine elternlose Waise, dessen Heimat mir unbekannt ist, war von dem alten Schäfer Lahn in Alt-Gaarz an Kindesstatt angenommen worden; er war ein fröhlicher fleißiger Mensch. Um Johannis aber ging eine seltsame Veränderung mit ihm vor; er wurde plötzlich zurückhaltend und scheu, schlief, wenn er Abends in den Pferdestall kam, sofort ein und erzählte dann im Schlafe seine Erlebnisse und Gedanken vom verflossenen Tage. Auch ging er uns mitunter dabei zu Leibe, so daß wir in die Pferdekrippen flüchteten, band die Pferde los und mißhandelte sie. Es wurde daher auf Befehl des Herrn ihm und Rieck das Nachtlager auf der Bleiche angewiesen, wo sich aber ganz ähnliche Scenen wiederholten. Die Anfälle, anfänglich nur am Abend, stellten sich auch am Tage ein, ohne daß man ihn zu einer Mittheilung, was mit ihm vorgegangen, bewegen konnte. Endlich, an einem Tage nach einer sehr heftigen Scene, nach der er[112] matt und niedergeschlagen war, gestand er Folgendes. In der Mittagsstunde des Johannistages sei in der Nähe des sogenannten Kreuzrämels, eines kleinen Gehölzes, ein altes Weib in schwarzem Kleide, mit einer Strichmütze auf dem Kopfe, auf einem rothen Hahn reitend, auf ihn zugekommen und habe ein Ansinnen an ihn gestellt, das er nicht habe erfüllen können, und worauf auch kein Anderer eingehen würde. Auf seine Weigerung erklärte sie, dann müsse er zur Strafe Nachts Alles wieder erzählen, was er am Tage gethan und gedacht habe. Sie erschien ihm noch mehrere Male und wiederholte ihre Forderung, zuletzt begleitet von einer Menge von Ratten, so daß er entsetzt um Erbarmen und Schonung gebeten. Da habe er von ihr die Weisung erhalten, er könne sich nur durch einen Kampf mit ihr frei machen. Besiege er sie, dann sei er erlöst; werde er besiegt, so sei er ihr auf immer verfallen. Nehme er den Kampf an, dann solle er sich an einem bestimmten Abende zu Ende September auf den sogenannten Blucksberg, auf der Westseite des Dorfes Alt-Gaarz, begeben, mit aufgelösten Schuhbändern, umgekehrtem Kittel und zwei Kreuzdornstöcken, einem trockenen und einem grünen. Auch könne ihn ein Mann begleiten, müsse aber in einiger Entfernung zurückbleiben und dürfe ihm den zurückbehaltenen grünen Kreuzdorn auf seinen Wunsch zuwerfen. Als der bestimmte Abend herankam, wurden von dem Gutsherrn zwei Knechte in der Nähe aufgestellt; der Mitknecht Rieck begleitete den Peters. Dieser rüstete sich, wie ihm geheißen, vergaß aber das eine der Schuhbänder in der Aufregung aufzulösen. Bald kam auch das alte Weib mit einem Stabe in der Hand. Sie stieg von ihrem Hahn und der Kampf begann. Sein trockener Kreuzdorn war bald zerschlagen, nun faßte sie ihn bei dem nicht gelösten Schuhband und ließ ihn, indem sie ihn mit dem Stabe berührte, radschlagen. Er hatte Mühe, seinem Begleiter zuzurufen, ihm den grünen Kreuzdorn zuzuwerfen. Mit diesem gelang es ihm das Weib und den Hahn in die Flucht zu schlagen. Ermattet und schweißgebadet kehrt er mit seinem Begleiter zurück; wie sie das Dorf erreichen, ertönt der erste Hahnenschrei. ›Gott sei Dank,‹ ruft er; denn das Weib hatte ihm noch gesagt, sein Sieg sei vergeblich, wenn er nicht beim ersten Hahnenschrei zu Hause sei.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 112-113.
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