142. Hexenzaum.

[121] In einem Kirchdorfe im südwestlichen Meklenburg, nahe an der Elde, wohnte eine Hexe, die allerhand Unfug trieb, aber nicht entdeckt werden konnte.

Einmal schlief der Großknecht eines Bauern im Dorfe mit dem Ochsenjungen in demselben Bette. Der Knecht lag hinten, der Junge vorne, auf der Seite also, wo die bösen Geister am liebsten ankommen. Am Maitagsmorgen lag der Junge in Schweiß gebadet und mit klopfendem Herzen im Bette, und theilte dem Großknecht mit, es komme ihm vor, als wenn ihn diese Nacht die Hausfrau als Pferd geritten hätte. Der Knecht lachte ihn aus, legte sich aber in der nächsten Mainacht vorn hin und stellte sich schlafend. Da kam auch wirklich die Hausfrau in die Kammer, einen Zaum und eine Peitsche in der Hand. Wiewohl er sich zur Wehre setzte, warf sie ihm doch den Zaum über die Ohren, und er sah sich plötzlich in einen schwarzen Hengst verwandelt, auf dem sie nach dem Blocksberg ritt. An einem Hollunderstrauche machte sie Halt und befestigte des Pferdes Zügel. Schlag Zwölf kamen von allen Seiten die Hexen auf Besenstielen, Ofengabeln, Feuerzangen, Dreschflegeln, Ziegen und Böcken reitend; auch der Teufel kam, in rothem Mantel, einen spitzen Hut mit Hahnenfeder auf, aus dem Hute guckten ein paar Hörner, an den Fingern hatte er lange Krallen, am After einen Kuhschwanz, und einen Krähen- und einen Pferdefuß. Der Knecht sah, wie sie aßen und tranken und dann tanzten, und zuletzt mit einander buhlten.[121] Beim ersten Hahnenschrei brach Alles auf, die Hausfrau des Knechtes bestieg wieder ihr Pferd. An einem Wasser unterwegs hielten die Hexen an, um ihr Vieh zu tränken. Dabei ließ sie den Zügel einmal los und nun wurde der Hengst so ungeberdig, daß er sie abwarf und sie ins Wasser fiel. Er schüttelte nun den Zaum ab und stand als Mensch vor der Hausfrau da. Nun warf er den Zaum über den Kopf der Hexe, und die Hausfrau ward sofort zu einer schwarzen Stute, auf die er sich schwang und weiter ritt. Unterwegs hielt er an einem Wirthshause an und kam auf den Gedanken, sein Pferd beschlagen zu lassen. Es wurden vom Schmiede vier tüchtige Eisen auf ihre Hufe genagelt, wobei sie sich gar jämmerlich anstellte. Drauf ritt er ins Dorf zurück, wo er noch vor Tage ankam. Am andern Morgen hieß es, die Hausfrau sei krank und liege zu Bette. Nach ein paar Tagen war sie todt und man fand an ihren Händen und Füßen vier blanke Hufeisen.


Pastor Günther bei Niederh. 2, 21 ff.; vgl. Müllenhoff S. 226 f.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 121-122.
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