180. Der schwarze Ziegenbock.

[146] Ein schwarzer Ziegenbock trieb in der Gegend von Kœselow bei Güstrow vor vielen Jahren sein Unwesen. Nächtliche Wanderer wurden von ihm überfallen und hinterrücks hinterlistig angegriffen. Viele haben blutige Beulen davongetragen. Vier Knechte aus Kœselow warfen sich mal in der Neujahrsnacht ein weißes Laken über; einen Pferdekopf, an dem zwei Gaffeln befestigt waren, hielt der Vorderste vor sich hin. Aus dem Maule des Kopfes flogen Funken, die einer der Knechte durch Anblasen eines im Kopfe befindlichen Lichtes erzeugte. Die Knechte gingen um, von Haus zu Haus, und setzten Kinder und alte Leute in Schrecken. Zuweilen gingen sie auch wohl nach benachbarten Dörfern. Das sollte ihnen aber einmal schlecht bekommen. Auf der Scheide begegnete ihnen der schwarze Ziegenbock und sagte ›Wat daun ji hir up min Rebeit!‹ Darauf stürmte er auf sie los und stieß sie dermaßen, daß ihnen Hören und Sehen verging. Sie blieben bewußtlos liegen und erwachten erst am andern Morgen aus ihrer Betäubung. Nun suchten sie auch nach dem weißen Laken, das sie sich übergehängt hatten. Es war verschwunden; nur einige Stücke davon fanden sie kurz vor Kœselow wieder. Der schwarze Ziegenbock hat sich seitdem nicht wieder in der Kœselower Gegend blicken lassen.


Lehrer Weber in Schwaan.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 146.
Lizenz:
Kategorien: