255. Schimmelreiter in Witzin.

[200] In Witzin bei Sternberg erzählt man von dem alten Weber, der in der Sylvesternacht auf einem Schimmel über den Kirchhof reitet. Derselbe ging mal in seinen jungen Jahren in der Nacht auf den Neujahrstag über den Kirchhof. Außerhalb der Kirchhofsmauer kam ihm ein Reiter entgegen. Der Weber wünschte ihm einen guten Abend, wofür ihm der Reiter dankte. Neugierig fragte der Weber weiter, was er da so spät noch zu reiten habe. ›Ich danke,‹ wurde ihm zur Antwort, ›daß du mich durch deine Frage befreit hast. Du wirst mir diesen Dienst von nun an abnehmen und ihn so lange verrichten, bis dich wieder ein Neugieriger ablöst.‹ Damit stieg er vom Schimmel und ließ den Weber sich daraufsetzen. Alsbald setzte der Schimmel mit ihm über die hohe Kirchhofsmauer und galoppirte eine volle Stunde unter ihm. Am nächstfolgenden Sylvesterabend trieb eine heimliche Unruhe den Weber aus dem Hause. Zu seinem großen Schrecken sah er den Schimmel schon auf sich warten. Er mußte sofort aufsteigen und den Ritt wiederholen. So kam es jedes Jahr, und als er einmal am Sylvesterabend krank lag, kam der Schimmel vor sein Fenster, um ihn abzuholen.


Von einem Seminarist in Neukloster.[200]

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 200-201.
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