291. Träume nicht erzählen.

[224] Es ist nicht gut, daß man erzählt, was Einem begegnet ist; man soll noch weniger seine Träume erzählen, ehe ihre Zeit abgelaufen. So träumte Jemand in – mein Gewährsmann schwankte zwischen Friedland und Woldegk – ein Schnakenkopf werde ihn auf seinem Wege zur Kirche stechen. Wohlbehalten kommt er aus der Kirche,[224] und steckt nun triumphirend seine Hand mit den Worten hin ›Süh, du hęst mi jo doch nich stęken.‹ Gleich darauf zieht er erblassend seine Hand zurück und stirbt, ›von einem giftigen Ding gebissen.‹

Ein Ackersmann hatte sich in der Mittagsstunde bei dem Säen seines Buchweizens zum Schlafe niedergelegt und glaubte im Traume die Worte zu hören ›Du seigst den Bookweiten wol, œwer du meigst em nich.‹ Lachend erzählt er den Traum den Seinigen; wie aber die Zeit der Ernte gekommen war und er nach der Sense faßt, stürzt er auf der Stelle todt darnieder. Weiser handelte ein Anderer, dem ganz dasselbe bei dem Säen seines Roggens geträumt hatte ›Du seigst dat Kurn wol, œwer du meigst nich.‹ Er schwieg gegen Jedermann, und als er den letzten Schwaden des reifen Roggens abgemäht hatte, erscholl eine Stimme aus den Lüften:


›Oh wo glücklich is de Mann,

de sin'n Drom verschwigen kann!‹


Zu seinem Unglück erfuhr diese Wahrheit ein Dritter, dem geträumt hatte, er werde an dem und dem Tage ertrinken. Er theilte seinen Freunden und Verwandten den Traum mit, hält sich natürlich an dem bestimmten Tage zu Hause, um vor jeder Wassergefahr gesichert zu sein. Wie er aber am Abend zufällig auf seinen Hof hinaustritt, fällt ihm eine Flüssigkeit in den Mund, die seinen Tod herbeiführt.


Fr. Latendorf bei Niederh. 4, 171ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 224-225.
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