1.

[226] Dem Freischulzen zu Holldorf wird von der Regierung sein kaiserlicher Lehnbrief abverlangt, um sein Eigenthumsrecht an dem Schulzenhof nachzuweisen. Er kann ihn aber nicht finden. Noch einmal wird ihm ein Termin gesetzt, an welchem er entweder den Lehnbrief vorzeigen oder den Schulzenhof abtreten müsse. Da träumt ihm eines Nachts, er solle nach Berlin reisen, dort von einer bestimmten Brücke in die Spree sehen und er werde seinen kaiserlichen Lehnbrief finden. Am nächsten Morgen erzählt er seiner Frau von dem Traume, aber die will nichts davon wissen. In nächster Nacht träumt ihm dasselbe. In der dritten Nacht derselbe Traum. Nun läßt sich der Schulze nicht länger halten, er macht sich reisefertig und kommt auch glücklich in Berlin an. Bald hat er die im Traum wahrgenommene Brücke gefunden und stiert nun von ihr in die unten fließende Spree. Aber was er nicht sieht, das ist sein kaiserlicher Lehnbrief. Da kommt endlich ein Herr auf ihn zu und fragt, was er denn eigentlich hier zu sehen habe. Der Schulze erzählt ihm, daß ihm geträumt habe, er solle von dieser Brücke in die Spree sehen, da werde er ein Papier finden, durch welches er sein Glück mache. Der Fremde ist verwundert darüber und erzählt ihm gleichfalls, wie merkwürdig es doch sei, daß er auch mehrmals nacheinander geträumt habe, er solle nach einem Dorfe Namens Holldorf gehen, in dem Schulzengarten daselbst stehe ein alter hohler Baum, in dem werde er einen Schatz finden. Aber er wisse nicht, wo das Dorf liege, und so könne er den ihm zugedachten Schatz nicht heben. Halt, dachte der Schulze, da findest du gewiß deinen Lehnbrief, und indem er dem fremden Herrn sagte, daß sie wohl Beide durch ihren Traum angeführt seien, machte er sich sobald als möglich auf den Rückweg, und zu Hause angekommen, untersuchte er den hohlen Baum und siehe da! er fand seinen kaiserlichen Lehnbrief. Als nun an dem festgesetzten Tage die Herren von der Regierung ankamen, um von dem Hof Besitz zu nehmen, trat er ihnen an der Heckenthüre entgegen und hielt triumphirend sein Papier in die Höhe und sagte ›Hir is't, un keen Düwel sall mi nu min'n Schultenhof nehm'n.‹


F.C.W. Jacoby bei Niederh. 4, 199ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 226.
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