323. Wäustenhäben.

[247] Beim Dorfe Rethwisch in der Nähe von Doberan ist ein Stück Land, ›Wäustenhœben‹ (Wüstenhöfen) genannt. Alte Leute erzählen darüber[247] Folgendes: In uralter Zeit lagen auf den Wäustenhœben drei schöne Bauerngehöfte, deren Besitzer wohlhabende und reiche Leute waren. Diese drei Gehöfte wurden vor vielen, vielen Jahren gänzlich verwüstet und verblieben eine ganz geraume Zeit in diesem wüsten Zustande (daher der Name). In dieser Zeit sah man an gewissen Tagen in den Abendstunden auf den Wäustenhœben Feuer brennen, und zwar immer an einer bestimmten Stelle. Ganz allgemein glaubte man im Dorfe, daß auf den Wäustenhœben Geld verborgen sein müsse; aber doch getraute sich Keiner aus der Dorfschaft, den Schatz auszugraben. Da wurde einmal ein Börgerender Kossat, Hameister mit Namen, lüstern nach dem Schatze und wollte ihn heben, er wagte es jedoch nicht allein; darum ging er zu seinem Schwager Plat in Warnemünde und suchte den zu bereden, mit ihm zu kommen. Plat fand sich dazu bereit. Da es heimlich geschehen sollte, durften sie nicht wagen, des Abends ihr Vorhaben auszuführen, da sie ohne Licht nichts machen konnten und die übrigen Dorfleute sie sogleich bemerkt hätten, wenn sie mit einer Leuchte nach den Wäustenhœben gegangen wären. Hameister und Plat warteten deshalb einen Sonntag ab, und als alle Leute in der Kirche waren, gingen Beide schnell mit Spaten nach den Wäustenhœben, gruben ein großes Loch in die Erde und fanden sehr viel Geld; es waren aber Alles ganz unbekannte Münzen, die sie so nicht gebrauchen konnten; da aber jetzt der Gottesdienst jeden Augenblick beendet sein mußte, so verließen sie eiligst die Wäustenhœben, ohne das gegrabene Loch wieder zugeworfen zu haben; mit dem gefundenen Schatze begaben sie sich nach Doberan zu einem Juden, der ihnen so viel Silbergeld dafür bezahlte, wie die Münzen nach seiner Meinung werth sein mochten. Seit der Zeit hat keiner der Dorfleute wieder Feuer auf den Wäustenhœben gesehen. Hameister und Plat machten darauf das Loch heimlich wieder zu, sie wurden aber bald darnach krank, ebenso der Jude, und starben alle Drei noch im selben Jahre.


Ein Seminarist in Neukloster.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 247-248.
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