330. Schatzgräber in Wesenberg.

[252] Am Ende des vorigen und am Anfange des jetzigen Jahrhunderts trieb eine ganze Bande von Schatzgräbern in Wesenberg[252] und den Nachbardörfern ihr Wesen. Ihr gewöhnlicher Ruhepunkt bei ihren Streifereien war der Prelanker oder Belower Theerofen, deren Besitzer selbst eifrigst mitgruben, ohne daß es irgend einem von ihnen sonderlich geholfen hätte. Vielmehr ging ihre Wirthschaft mehr zurück als vorwärts, und die Erben mußten gut machen, was die Väter versäumt hatten. Nun gilt es bekanntlich als Hauptgrundsatz der Schatzgräberei, das unverbrüchlichste Stillschweigen zu beobachten. An diesem einen Punkte scheiterte denn auch in der Regel das Unterfangen unserer Helden. So sollen sie oft selbst nicht ohne Behagen, aber doch mit heimlichem Aerger erzählt haben, wie sie ihrer Drei schon so weit gelangt waren, daß sie von einem Schatze den schweren Behälter und großen Umfang deutlich wahrnahmen. Da aber sprang zwischen ihren Händen eine blanke Jungfrau – eine andere Quelle, mein Onkel, nannte sie grau gekleidet – hin und her, so daß sie nicht weiter zu arbeiten im Stande waren. Plötzlich rief einer der Schatzgräber ungeduldig seinem Nachbar zu ›Rehdanz, grip, grip!‹ und im Nu war Schatz, Jungfrau und Alles verschwunden.


Fr. Latendorf bei Niederh. 3, 254 f.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 252-253.
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