343. Die goldene Wiege bei Wilmstorf.

[263] Vor Zeiten lebte in Wilmstorf bei Dassow ein reicher Graf, welcher sehr grausam gegen seine Knechte war. Dieser Graf[263] erzürnt sich einst mit einem seiner Knechte und schlägt ihn beinahe zu Tode. Da schwört ihm der Knecht, wenn ihm Gott das Leben ließe, so werde er sich gerade so wieder rächen, wie er ihn behandelt hätte. Darauf entweicht er. Viele Jahre später war der Graf, während gerade ein Krieg ausgebrochen war, mit seiner Frau nach Dassow gereist. Als er dort mit derselben auf der Straße fährt, sieht er seinen ehemaligen Knecht als schwarzen Husaren vor sich stehen. Dieser betrachtet ihn von oben bis unten. Der Graf entflieht eiligst aus Dassow und eilt nach Wilmstorf. Dort bringt er seine Frau, seine Kinder und seine Kostbarkeiten, worunter auch eine goldene Wiege war, in ein Boot – sein Schloß lag nämlich ganz im Wasser, und auf der einen Seite lag ehedem ein großer See, auf dem er stets ein Boot hielt – und fährt auf diesem hinein in den See. Der Knecht ist aber auch schon an den See gekommen. Der Graf hat solche Eile, daß die goldene Wiege aus dem Kahne heraus in den See fällt. Der Knecht nimmt Besitz von den gräflichen Gütern, während der Graf mit Frau, Kindern und Schätzen verschwindet und nie wieder gesehen worden ist. Von der Wiege erzählt man sich, daß sie noch heute in einem Wasserloche bei Wilmstorf sich befinde. Dieses Wasserloch aber soll jener große See gewesen sein. Bei klarem Wetter will man die Wiege noch heutzutage sehen können und auch die Mauern von dem Schlosse.


Gymnasiast L. Kröger aus Klütz, nach Erzählung des Schneiders Weinberg in Klütz.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 263-264.
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