380. Untergang der Stadt Ramm.

[286] Von dem Dorfe Ramm, welches zwischen Hagenow und Lübtheen liegt, erzählt man, daß es früher eine Stadt gewesen und daß die Russen im Befreiungskriege bei Lübtheen noch nach der Stadt Ramm gefragt hätten. Die Sage vom Untergang der Stadt ist diese:[286]

Die Leute in der Stadt Ramm waren sehr böse, und ihr Treiben wurde immer sündlicher. Da ward ihnen verkündet, der Untergang ihrer Stadt sei beschlossen, sie hätten nur zu wählen, auf welche Weise er herbeigeführt werden solle, ob durch Feuer, durch Wasser oder durch Sand. Sie wählten das Letztere, weil es ihnen am unwahrscheinlichsten schien. Aber das Gericht blieb nicht aus. Gott der Herr erwählte sich diesmal zu seinem Werkzeuge einen Bollen. Dieser kam dahergesprungen und schlug mit seinen Hinterfüßen unaufhörlich Sand in die Stadt. Jetzt eilte man hinaus mit Schaufeln und Spaten, um den Bollen zu vertreiben. Allein dieser blickte seine Verfolger so grimmig an, daß sie erschreckt zurückwichen. Er aber lief fortwährend um die Stadt und schlug nach allen Seiten Sand hinein, bis sie zuletzt ganz damit bedeckt war. Jetzt wächst ein ansehnlicher Tannenwald über der verschütteten Stadt.


Seminarist Sevecke; vgl. Niederh. 2, 106 ff., wo eine abweichende Fassung. Nach einer Aufzeichnung des Hilfspredigers Timmermann, die auf Mittheilung des Lehrers Rambow in Tramm bei Mummendorf beruht (der sie aus dem Munde des Hauswirthsaltentheilers Joachim Jahncke in Loosen hatte), lagen in der Nähe der Stadt Ramm im Lande Jabel noch zwei andere Städte, die eine hieß Päul oder Poel und lag linker Hand an dem Wege von Loosen über Alt-Krenzliner-Hütte nach Ludwigslust, dicht hinter der Glashütte. Eine mit Wasser gefüllte Vertiefung bezeichnet die Stelle. Der König von Päul war ein Riese, Namens Frielk. Die andere Stadt lag da, wo jetzt Laupin liegt; ihr Name wird aber nicht genannt. Die Leute in allen drei Städten waren sehr schlecht. Zuerst ging Laupin durch eine Wasserfluth unter. Die Bewohner von Ramm und Päul veranstalteten ein Fest, wobei sie zwei Bollen kämpfen ließen. Die Päuler blieben Jahre lang Sieger; da kamen die Rammer auf den Gedanken, ihrem Bollen die Haut abzuziehen, um ihn wüthender zu machen. Er besiegte auch den Päuler Bollen, stampfte aber dann in seiner Wuth so viel Sand auf, daß ganz Ramm davon verschüttet wurde. Die Bewohner von Päul waren mit ihrem König unzufrieden, weil er ihnen ihre Bosheit wehrte. Sie vertrieben ihn daher; er aber rief über die Stadtmauer hinüber ›Wenn de Pott full is, ward ik kamen un em ümstülpen!‹ Er baute sich eine Burg Frielk zur linken Hand am Wege von Loosen nach Laupin. Die Erde, die er zum Bau brauchte, holte er sich in einem Sacke aus Warl, und die noch fehlende blies er von weit her zusammen. Die Päuler gereute es bald, daß sie ihren König vertrieben hatten, weil nun bei Windstille ihnen Niemand ihre 24 Windmühlen trei ben konnte. Als die Leute immer böser wurden, kam Frielk mit einem großen Sandberg auf dem Rücken, um die Stadt zu verderben. Er warf bei der Glashütte den Sandberg von den Schultern, faßte die Mauern der Stadt und kehrte sie um, indem er sagte ›De Pott is nu full, ik stülp em üm.‹ Dann blies er den Sandberg auseinander, daß die ganze Gegend versandete. Er selbst aber zog fort in die Gegend von Boitzenburg, wo er noch lange lebte. Vgl. auch Müllenhoff S. 127 f.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 286-287.
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