384. Die Mordgrube bei Dassow.

[289] Zwischen dem Dorfe Dassow und dem lübeckischen Fischerdorfe Schlutup ist an der alten Lübecker Landstraße eine wüste Stelle, auf der weder Baum noch Strauch, weder Getreide noch sonst eine Pflanze gedeihen will. Die Leute nennen den Fleck ›die Mordgrube‹ und erzählen Folgendes. Noch vor der Reformation stand hier ein Wirthshaus, die ›Tannenschenke‹ genannt. Hier ging es immer lustig her, namentlich an Sonn- und Festtagen wurde hier wild gezecht und getanzt. Einmal an einem Himmelfahrtstage ging es ebenso. Nach Tisch stellte sich ein Fiedler ein und es wurde getanzt. Plötzlich sah man in der Ferne einen Geistlichen, die Monstranz in der Hand, kommen, auf dem Wege zu einem Sterbenden. Der Fiedler hielt ein und forderte die Tanzenden auf, dem Sacrament Ehrfurcht zu erweisen, indem er selbst auf die Kniee fiel. Allein die wilden Gesellen verhöhnten ihn nur. Da zog bald darauf ein finsteres Gewitter auf, ein Blitzstrahl und furchtbarer Donner, und die Erde that sich[289] auf und verschlang die Tänzer. Der Fiedler hatte sich noch zu rechter Zeit geflüchtet und entrann dem Gerichte. Später hat man die Gebeine der Versunkenen ausgraben wollen, aber immer war, was man am Tage ausgegraben, am andern Morgen verschüttet.


G.C.F. Neumann bei Niederh. 3, 69 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 289-290.
Lizenz:
Kategorien: