406. Die Knittel in den Sternberger Thoren.

[303] Einige ganz alte Sternberger Leute wissens noch recht gut, daß in ihren Kinderjahren in jedem der drei Hauptthore ihrer Heimatsstadt ein großer, eichener Knittel, an einer eisernen Kette befestigt, gehangen hat. Als aber später die sämmtlichen alterthümlichen Hauptthore der Stadt, das Pastiner, Lukower und Kütiner, abgetragen und an ihrer Stelle einfache steinerne Thorpfeiler mit eisernem Staketenwerke errichtet wurden, da sind auch die alten Knittel abhanden gekommen.

Man erzählt davon Folgendes. In alten Zeiten wurde das früher stark befestigte Sternberg einmal arg vom Feinde belagert, von seinen Bürgern aber auf das Tapferste vertheidigt. Als nun aber später noch immer mehr feindliche Schaaren heranzogen, da sank endlich den erschöpften Bürgern der Muth, und schon schickten sie sich an, die Vertheidigung ihrer Stadt aufzugeben, die Waffen zu strecken und sich dem Feinde zu ergeben. Kaum aber erfuhren dies ihre Weiber, da eilten sie mit Stöcken auf die Straßen und trieben die entmuthigten Männer wieder zurück auf die Mauern und ins Gefecht. Zur Erinnerung hiezu und als ewiges Denkzeichen ihrer[303] Gewalt über die Männer, sollen die Weiber bald darauf die Knittel in den Hauptthoren der Stadt aufgehängt haben. Nach einer andern Sage aber haben bei einem feindlichen Ueberfalle die Weiber wacker mit dreingeschlagen und also in Gemeinschaft mit ihren Männern den Feind siegreich zurückgetrieben, worauf denn nachher zum Andenken an diese Heldenthat in jedem der drei Stadtthore Sternbergs ein an einer eisernen Kette befestigter eichener Knittel aufgehangen worden ist.


Vgl. Niederh. 2, 85 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 303-304.
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