417. Wahrzeichen am Steinthor zu Rostock.

[311] Gegen das Jahr 1314 hatte Rostock, wie damals häufig, Krieg. Die Feinde hatten die Stadt schon lange und vergeblich belagert. Sie konnten sie nicht überwältigen und auch das Aushungern wollte nicht recht gehen. Da nahm man zum Verrathe seine Zuflucht, und zwar war es einer der Bürgermeister, der sich durch das Gold des Fremden blenden ließ. Er beging das Bubenstück und überlieferte die Stadt, indem er ihre Blöße verrieth, den Feinden. Die Sache war fein genug angelegt, kam aber doch an das Tageslicht. Und als nun die Rostocker nach außen hin Frieden hatten, ergriffen sie den Verräther und sperrten ihn ein. Damals bestrafte man oft geringe Vergehen hart; und so ist es leicht erklärlich, daß man hier nicht blos hart, sondern sogar grausam verfuhr. Man schleppte den Unglücklichen nach dem Mauerthurme unweit des Steinthores – hinter den Häusern an der neuen Wallstraße – und schloß ihn hier in schwebender Stellung vermittelst Hals-, Arm-, Brust- und Fußeisen also an, daß er nur die Hände zum Munde bewegen konnte. So quälte man ihn jämmerlich und langsam zu Tode; denn zur täglichen Nahrung ward ihm nur ein Schillingsbrot – Rundbrot – und ein wenig Wasser gereicht. Hier soll dann späterhin zur Warnung für Jedermann das über der Inschrift des Thores befindliche Brustbild eines Mannes, der gleich wie zum Schutze mit der Linken einen runden Schild vor sich hält, angebracht sein, und man will an demselben auch die Hals- und Armeisen erkennen. Den Schild aber hält man für ein Abbild des Rundbrotes.


A.C.F. Krohn bei Niederh. 3, 216 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 311-312.
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