424. Der Fangelthurm in Malchin.

[315] Einmal haben die Malchiner Rathsherren den Ritter und Freiherrn von Kummerow in Pommern zu sich aufs Rathhaus zu einem Bankette geladen. Die Ländereien dieses Ritters zogen sich nämlich damals noch bis ans Mühlenthor von Malchin, und schon lange war es der Wunsch der Bürgerschaft gewesen, diese Wiesen und Felder wenigstens bis zum Kummerower See zu erwerben. Als nun die Malchiner Stadtherren mit dem Herrn von Kummerow so fröhlich auf dem Rathhause bankettirten, fragte ein Rathsherr den Ritter ›Herr Ritter, wollt Ihr uns nicht Eure Ländereien bis zum Kummerower See verkaufen?‹ Ueber diese Worte lachte der Ritter und rief ›Ja wohl, wenn ihr nur so viel Geld hättet. Doch ich will euch soviel schenken, als ihr diese Nacht von 12 Uhr bis Morgens 4 Uhr mit einem Paar Zugochsen umhaken könnt. Doch müßt ihr zu meinem Angedenken einen Thurm bauen, und zwar am Mühlenthor, woran ihr mein Wappen anbringen sollt. Wenn ihr aber den Thurm niederreißt, so gehört das Feld meinen Nachkommen.‹ Dies Alles wurde urkundlich verbrieft. Nachts um 12 Uhr hakten nun die Malchiner Bürger los und zogen eine Furche von Malchin bis Dukow, einem kleinen Dörfchen, eine halbe Stunde von Malchin entfernt, von da bis zum Kummerower See und dann in einem weiten Bogen bis Malchin wieder zurück. Gerade, als es vom Thurme 4 Uhr schlug, gelangten sie ins Mühlenthor. Daher kommt es, daß Malchin so reich an Feld und Wiesen ist.

Dieser Thurm – der ›Fangelthurm‹ genannt, da er früher als Gefängniß diente – steht noch heute, obgleich das Wappen daran schon längst verwittert ist. Vor ungefähr zwanzig Jahren wollten die Malchiner den Thurm niederreißen lassen, um die Steine zum Rathhausbau zu benutzen, doch da rief ein alter Bürger ›Daut dat nich, dei Kummerowsch kikt all ut dei Auken!‹ Da wurden sie der alten Urkunde eingedenk und ließen den Thurm stehen.


Niederh. 4, 57 ff.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 315-316.
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