430. Henning Bradenkirl.

[320] In Ankershagen, eine Meile von Penzlin, hauste auf seiner Burg ein grausamer Raubritter, Henning von Holstein1. Einmal lud er einen Herzog zu sich ein2, auf den der Ritter seit langer[320] Zeit geheimen Zorn trug, weil derselbe den vorüberziehenden Kaufleuten Geleit gab und dadurch des Ritters Raubpläne vereitelte. Er beschloß, ihn zu verderben und machte einen Anschlag auf sein Leben. Ein Kuhhirt aber warnte den Herzog und dieser kehrte um3. Der Warner wurde verrathen und auf Befehl des Ritters in das Kaminfeuer der Burghalle geworfen4, und als der Unglückliche aus den Flammen herauswollte, stieß ihn Henning mit dem Fuße in die Gluth zurück5. Seit der Zeit wurde er nicht anders als Henning Bradenkirl genannt. Der Herzog nahm Rache, eroberte und zerstörte seine Burg, und Henning tödtete sich selbst, nachdem er zuvor seine Schätze versenkt hatte6. Auch nach dem Tode fand er keine Ruhe; der rechte Fuß, mit dem er den Unglücklichen ins Feuer gestoßen, wuchs bis zum Knie aus der Erde heraus, so oft man ihn auch bedeckte, bis ein alter Todtengräber ihn abschnitt und unter dem Altare beisetzte. Thatsache ist, daß man beim Umbau am Altar in einem Gewölbe einen mit grauseidenem7 Strumpf bekleideten Fuß fand8. An der Rückseite des Schlosses befindet sich ein rothes Bild[321] eines Mannes von gebranntem Thon, an dem, so oft man es auch überstrichen, keine Farbe haftet9, sondern das Roth immer wieder zum Vorschein kommt, das Blut des Ermordeten, das sich nicht abwischen läßt10.

1

Keinen Namen nennt G, nur Henning nennt ihn N.

2

Nach Z den Herzog von Meklenburg, mit welchem der Ritter in Fehde lebte, und der einst durch das Gebiet Henning's zog, wobei dieser ihm auflauern wollte. Nach G ein Fürst, den er wie Andere einlud, um ihn mittelst einer Fallthür, die in einem Thurme angebracht war, verrätherisch zu morden. Nach N ein Prinz, von dem ihm Späher gemeldet, daß er des Weges ziehen werde. Nach B der Pastor von Ankershagen, dem Henning nach dem Leben trachtet, weil er in einer Predigt strafend über sein Räuberleben sich ausgesprochen.

3

Nach N ein Schweinehirt, der dem Ritter eine Nachricht bringen will, nach Z ein Schafhirt, nach B ein Schäfer. Nach S kommt der Kuhhirt in die Halle, um neues Holz in den Kamin zu werfen und hört so die Anschläge.

4

Nach BN wird er an den Spieß gesteckt und gebraten, nach G an einen eisernen Ofen gebunden.

5

Nach B stößt er die für ihn flehenden Angehörigen mit dem Fuße. Nach N sowohl ihn als dessen flehendes Weib.

6

Das Rachenehmen fehlt G N Z.

7

Ein grünseidener G, ein Strumpf und ein Schuh Z, beides fehlt S.

8

G fügt hinzu, daß er auch nach dem Tode noch umging, bald als schwarzer Eber, bald als schwarzer Bolle erschien. Vor nicht langer Zeit soll er die Herrin im Keller erschreckt haben, in menschlicher Gestalt, aber wie aus Messing gegossen. Er soll sein Unwesen noch heute in dem jetzt zugemauerten unterirdischen Gange treiben. Z fügt hinzu, daß einer seiner Nachkommen gleichfalls den Tod im Feuer fand und dadurch die That gesühnt wurde. Nach N ist die Bratscene auf einem Bilde in der Kirche dargestellt.

9

Ueber die Erklärung dieses großen viereckigen Ziegels mit dem Relief-Brustbilde eines Mannes vgl. Jahrbücher 26, 214.

10

S fügt hinzu, daß der Kamin vermauert wurde, aber kein Mörtel daran haftete, sondern er immer wieder Sprünge bekam.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 320-322.
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