440. Frau in einen Berg entrückt.

[326] Auf dem Wege von Klütz nach Wismar, von hier aus jenseits der Brücke, die am Wohlenberger Ufer liegt, ist eine Erderhöhung von ungefähr 12 bis 16 Fuß auf der rechten Seite des Weges, schon zum Niendorfer Felde gehörig. An diese knüpft sich folgende Sage.

In alten Zeiten ging hier einmal eine Frau, welche von der Stadt kam. Vor dieser ging eine andere Frau. Als sie der Erderhöhung[326] gegenüber sind, geht die erste Frau auf den Berg zu. Dieser öffnet sich vor ihr. Sie geht hinein. Der Riß bleibt offen und die zweite, welche neugierig ist, folgt ihr. Je weiter sie kommt, desto weiter wird der Gang. Zuletzt wird es helle und sie gelangt in einen großen Garten, in dem sie Bäume und Früchte, Blumen und Kräuter, kurz Alles von einer unbeschreiblichen Pracht findet, so schön und so wunderbar, wie sie es noch niemals gesehen hat. Als sie nun eine Weile im Garten herumgegangen ist, denkt sie: du hast dich schon eine halbe Stunde verspätet, du mußt nach Hause. Sie geht also heraus und begibt sich nach ihrem Dorfe – das Dorf ist in der Klützer Gegend, der Erzähler wußte sich des Namens nicht zu erinnern. Als sie dort ankommt, findet sie Alles verändert; Menschen und Kinder, Alle sind ihr unbekannte Gesichter. Wie sie in ihrem Hause an kommt und nach ihren Kindern fragt, kennt man diese gar nicht. Da ruft sie aus ›Min Gott, wo geit dat tau. Ik bün man ein halw Stunn' in den Barg west.‹ Nun erzählt sie den Leuten von ihrem Besuch in dem Berge. Als sie ihren Namen nennt, sagen die Leute, vor mehreren hundert Jahren hätten hier Leute dieses Namens gewohnt, die seien aber längst todt. Sie hätten die Stelle schon von ihrem Vater und der von seinem Großvater geerbt. Als das die Frau hörte, rief sie aus ›Min Gott, wo is dat mæglich!‹ und sank entseelt zusammen.


Gymnasiast L. Kröger aus Klütz, nach Mittheilung des Schneiders Weinberg in Klütz.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 326-327.
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