480. Der Kirchenbau zu Camin.

[352] Etwa zwei Wegstunden von Wittenburg liegt das Kirchdorf Camin. Als man die dortige Kirche bauen wollte, fehlte es an Kalk und die Bewohner waren in großer Verlegenheit. Schon wollte man den Bau unterlassen, als ein Einwohner des Dorfes auf dem Wege zu dem benachbarten Goldenbow im Walde, der die Feldmarken[352] beider Dörfer schied, große Massen schönen, gebrannten Kalkes auf der Erde liegend fand. Fast die ganze Dorfschaft eilte hinaus, um sich von der Wahrheit dieser Kunde zu überzeugen. Und siehe, man fand nicht allein jenen Kalk, es stand auch dabei an einem Baume festgebunden ein kleines schwarzes Pferd. Man war sofort der Ansicht, daß der Kalk ihnen beschert und das Pferd dazu bestimmt sei, den Kalk zum Dorfe zu schaffen. Beim Nachgraben an dieser Stelle fand man unmittelbar unter der Erdoberfläche mehr Kalk, als man zum Kirchenbau verwenden konnte. Als man nach Vollendung des Baues zu andern Zwecken Kalk aus dem Walde holen wollte, fand man nicht die Spur mehr davon. Zum Danke für die geleisteten Dienste behielten die Caminer das Pferd, pflegten und fütterten es, bis es starb. Da überzog man mit der Haut desselben ein hölzernes Pferd und vergrub dieses vor der Kirchenthür.


Fr. Dubbe.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 352-353.
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