509. Kloster im Neustädter See.

[373] Wo jetzt der Neustädter See in einer ebenen Fläche sich erstreckt, hat früher ein großes Kloster mit mächtigen Thürmen und herrlichen Glocken gestanden. Die Bewohner sind aber sehr gottlos gewesen und so ist endlich das Strafgericht Gottes über sie hereingebrochen. Das prächtige Kloster ist untergegangen und von aller seiner Pracht keine Spur übrig geblieben. Nur am Johannistage in der Mittagsstunde kann man, wenn man sich am Ufer des Sees auf die Erde legt und horcht, die Töne der Glocken dumpf aus der Tiefe heraus hören. Auch sehen Vorübergehende manchmal in hellen Nächten eine Klosterfrau am Ufer des Sees sitzen, welche eifrig mit Waschen beschäftigt ist und dazwischen laute Klagerufe ausstößt. Wenn diese Erscheinung stattgefunden hat, dann fordert der See in nächster Zeit wieder ein Opfer.

Es sind nun schon viele Jahre her, da hatte man zu verschiedenen Malen die Klosterfrau am Ufer des Sees gesehen. Einige Tage darauf kam ein Kärrner mit seinem Fuhrwerk am See vorbei. Er wollte seine Pferde tränken und fuhr mit dem Wagen in den See hinein, wo er wenig Vorland hat, sondern schnell tief wird. Den bergabgehenden Wagen konnten die Pferde nicht mehr aufhalten und der Mann fand mit seinen Pferden den Tod in den Wellen.


Niederh. 3, 176 f.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 373.
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