516. Die Glocken in Dobbertin.

[376] Zur Zeit, als das Christenthum sich mehr und mehr in Meklenburg ausbreitete, baute sich die Christengemeinde in Dobbertin eine Kirche und schaffte zwei Glocken für dieselbe an. Die Heiden aber, ärgerlich über den schönen hellen Klang der Glocken, beschlossen, dieselben zu zerstören. Da erschien eines Tages ein Bauer aus Nienhagen und gab vor, er sei durch einen Traum aufgefordert, die Dobbertiner Glocken in den Nienhager See zu versenken. So wurden sie auf einem mit zwei Ochsen bespannten Wagen nach dem See gefahren und hinabgelassen. Als nun im Laufe der Zeit jede Gefahr von Seiten der Heiden beseitigt war, wollte man die Glocken wieder herausholen. Aber alle Versuche, sie aufzufinden, waren vergeblich. Da sah man an einem Sonntage Mittags zwischen 12 und 1 Uhr die Glocken aus der Tiefe an die Oberfläche kommen und auf den Wellen schwimmen. Das wiederholte sich an allen Sonn- und Festtagen[376] um dieselbe Zeit. Wollte man aber sich ihnen nähern, so schwammen sie schnell fort und versanken nach einer Stunde in der Tiefe. Schon hatte man alle Gedanken an ihre Wiedererlangung aufgegeben, als einst zwei Knaben am Sonntag Gänse am See hüteten. Da tauchten die Glocken wieder empor. Die Knaben hatten grade ihre Tücher ausgebreitet, um die mitgenommenen Lebensmittel zu verzehren. Nach der Mahlzeit wuschen sie die Tücher im See und legten sie zum Trocknen auf eine der Glocken, die in der Nähe im Wasser schaukelten. Plötzlich hörte das Geläut derselben auf und sie standen ruhig und still am Ufer. Die Knaben liefen ins Dorf Nienhagen und meldeten die Kunde. Alles strömte hinaus, es wurde aus Nienhagen ein Wagen mit vier Pferden herbeigeschafft und die Glocken darauf geladen, um sie nach Nienhagen zu schaffen. Aber trotz aller Anstrengung vermochten die Pferde den Wagen nicht fortzubewegen. Da trat ein alter Bauer heran und bat, man möge ihm gestatten, mit seinen zwei Ochsen die Glocken nach Dobbertin zu schaffen. Mit Leichtigkeit zogen jetzt die Ochsen den Wagen und die Glocken wurden aufs neue in der Kirche zu Dobbertin aufgehängt.


Seminarist H. Schröder; vgl. NS. 62.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 376-377.
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