539. Glocken läuten für die Armen.

[390] Früher war es Sitte, daß die Müllergesellen von einem Dorfe zum andern gingen, die Müller nahmen sie dann auf, und wenn die Gesellen alt waren und sie ihnen keine Arbeit geben konnten, mußten sie sie nach der nächsten Mühle fahren lassen. So ein Müllergesell kam eines Abends in ein Dorf und war sehr krank. An der Kirchhofsmauer brach er zusammen und starb. Am andern Morgen fanden die Leute die Leiche und wollten sie gar nicht anfassen, sondern machten ein Loch an der Kirchhofsmauer und zogen ihn mit einem Misthaken hinein. Da fingen auf einmal die Glocken an zu läuten und eine Stimme rief ›Dei Klocken künnen so woll för Arme as för Rike gan.‹


Mündlich aus Parchim durch Behm.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 390.
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