563. Der Sechspfennigzug im Wesenberger See.

[405] Die Fischer alter und neuer Zeit haben den verschiedenen Stellen der Seen, in die sie ihre Netze zum Fischfang werfen, besondere Bezeichnungen gegeben, die den Gattungsnamen ›Züge‹[405] führen. So ist beispielsweise die Tollense bei Neu-Brandenburg in über hundert solcher sogenannten Züge getheilt, die alle ihren eigenen, oft sehr eigenthümlichen Namen führen. In dem Wesenberger See führte ehemals eine Stelle den Namen Sechspfennigzug, weil an dieser die Fischer jahrelang umsonst gefischt und kaum für sechs Pfennige Fische gefangen hatten. Einmal zur Winterzeit war hier wieder vergebens zu Eise gefischt und der Fischer begab sich mit seinen Leuten und Werkzeugen nach einem andern Zuge. Aber der Bruder des Fischers war an der ersten Stelle betrunken auf etwas Stroh auf dem Eise liegen geblieben und in einen festen Schlaf verfallen, der bis gegen Mitternacht währte. Da erwacht er; es ist kalt und Alles um ihn herum still. Mit einemmale hört er in der Tiefe des Sees eine Stimme und vernimmt die Worte ›Nun wollen wir die Fische wieder nach dem Sechspfennigzug treiben.‹ Sogleich springt er auf, sucht seinen Bruder, theilt ihm das Gehörte mit und redet ihm zu, dort noch einen Zug zu thun. Dieser will anfangs nicht darauf eingehen, doch gibt er endlich den dringenden Bitten des Bruders nach, indem er meint, es käme auf einen vergeblichen Zug mehr oder weniger nicht an. Aber siehe, der Fischer fängt eine solche Menge Fische, wie noch nie vorher und legt dadurch den Grund zu seinem späteren Reichthum.


F.C.W. Jacoby bei Niederh. 4, 46 f.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 405-406.
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