57. Lindwurmsage.

[39] In der Nähe der ehemaligen Landstraße zwischen Neubrandenburg und Stavenhagen, an der Geveziner und Blankenhöfer Feldmark, liegen drei Berge, der Blocksberg, der Jabsberg und der Lindberg. Vor langer Zeit hausten hier Lindwürmer. Sie glichen, wenn sie ausgestreckt lagen, einer abgehauenen Tanne und waren weit und breit gefürchtet. Einst fuhr ein Wagen den Weg entlang und traf unweit der Brandmühle einen jungen Lindwurm schlafend quer über[39] den Weg in der Sonne liegend. In der Meinung, es sei ein tannener Stock, fuhr der Kutscher darüber weg; an dem Schrei des überfahrenen Thieres merkte er erst, was es sei, und fuhr von dannen. Der alte Lindwurm aber stürzte auf das Geschrei herbei und fand den jungen todt. Wüthend fiel er über einen nach Neubrandenburg fahrenden strohbeladenen Wagen her. Der Knecht bemerkte es und jagte im Galopp weiter. Zum Glück verlor er hinterm Neuendorfer Gehege den Spannnagel, so daß der Hinterwagen mit dem Stroh stehen blieb und der Knecht mit dem Vorderwagen um so schneller vorwärts jagte. Zuerst durchwühlte der Lindwurm das Stroh; da er aber Niemand fand, setzte er dem Knechte nach und biß sich, um schneller fortzukommen, in den Schwanz, so daß er wie ein Reif hinter dem Wagen herrollte. Der Knecht konnte eben noch das Brandenburger Thor erreichen, das rasch hinter ihm geschlossen wurde, so daß der Lindwurm draußen blieb. Der Lindwurm blieb vor dem Thore liegen, da, wo jetzt die Kirche St. Jürgen steht; kein Brandenburger wagte sich hinaus. Nun war ein fremder Prinz, Namens Georg, in der Stadt, der faßte den Entschluß, dem Lindwurm entgegenzugehen. In hartem Kampfe gelang es ihm, dem Thiere den Schwanz, in dem seine Stärke ruhte, abzuhauen, worauf er es bald gänzlich erlegte. Zum Andenken wurde die St. Jürgenkirche gebaut, auf deren Altar ein Bild die Begebenheit darstellt.


Pogge-Gevezin. Populäre und localisirte Fassung der Georgs-Legende.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 39-40.
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