573. Die Seebläk.

[412] Südwestlich, ungefähr eine halbe Stunde Weges von Plau, unfern der Chaussée zwischen Plau und Lübz, liegt der Hof Lalchow, an dessen Südseite sich eine große Wiese, die jetzt zum Theil als Torfmoor benutzt wird, anschließt. Diese Wiese soll früher ein fischreicher See gewesen sein. Vor einigen hundert Jahren, als diese Wiese noch Wasser war, trieb ein Schweinehändler mit einigen Schweinen, die er auf dem Lande gekauft hatte und unter denen sich ein einäugiges Schwein befand, den Landweg, der in der Nähe dieses Sees vorbeiführte. Obgleich es schon dunkel zu werden anfing, trieb er doch mit seinen Schweinen fort, indem er glaubte, trotz der Dunkelheit nicht zu irren, weil er diesen Weg schon oft gemacht hatte. Als er aber unterwegs war, zog ein Unwetter herauf, und die Dunkelheit wurde so stark, daß man nicht Hand vor Augen sehen konnte. Der Schweinehändler gerieth auf einen Seitenweg, der zu dem nahen See führte. In dem Wahne, auf dem rechten Wege zu sein, trieb er mit seinen Schweinen in den See hinein und kam sammt seinem Hunde und den Schweinen darin um. Von jener Zeit an soll der Hund des Schweinehirten dort des Abends stets noch bellen, zu der Stunde, in der jenes Unglück vorgefallen. Daher wird diese Wiese noch jetzt Seebläk genannt. Nicht lange danach, so erzählt die Sage weiter, ging ein Mann aus einem benachbarten Dorfe an einem Sonntagmorgen nach jenem See, um Fische zu[412] angeln. Als die Sonne schon hoch gestiegen war und er noch immer nichts gefangen hatte, wurde er unwillig, zog seine Angel aus dem Wasser heraus und dachte bei sich: Noch einmal sollst du's versuchen und alsdann nach Hause gehen. Er that es und siehe, ein großer Barsch biß auf seine Angel. Vergnügt zog er ihn ans Ufer und bewunderte die Größe des Fisches. Kaum aber hatte er ihn in sein Fischnetz gesteckt, als eine klagende Stimme aus der Tiefe des Sees tönte ›Wur is min einögig Borg?‹ Erschrocken stand der Mann am Ufer und horchte. Als aber der Klageruf immer stärker wurde und der Mann zu seinem Schrecken bemerkte, daß der gefangene Barsch nur ein Auge hatte, gerieth er in Angst, warf seinen Fisch wieder ins Wasser und machte, daß er nach Hause kam.


Stud. Schulz aus Barkow.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 412-413.
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