605. Der Steintanz bei Boitin.

[431] Auf dem Wege von Zernin nach Boitin kommt man in einen Buchenwald; in demselben liegt, nicht weit vom Wege, ein kleiner See, dessen eines Ufer sich steiler als das andere erhebt. Geht man die Anhöhe noch eine kleine Strecke weiter in den Wald, so trifft man drei Kreise von Steinen, jeden von einem kleinen Graben umzogen, in jedem etwa neun Steine1. Der eine Stein führt den Namen die Kanzel und ist mit einem kleinen Auftritt versehen; ein anderer, mit dreizehn viereckigen kleinen Löchern, heißt die Brautlade. Die Steine insgesammt heißen ›der Steintanz‹ und an diesen Namen knüpft sich folgende Sage.[431]

In der Nähe der Stelle lag vor vielen Jahren das Dorf Dreetz2, in welchem viele reiche Bauern wohnten. Einst wurde im Dorfe eine Hochzeit gefeiert, bei der es lustig herging. Zuletzt verfielen sie im Uebermuth auf den Gedanken, mit Würsten und Broten Kegel zu spielen. Da traf sie die Strafe des Himmels3; sie wurden sämmtlich, Kegelspieler und Tänzer, ebenso wie die reichgefüllte Brautlade in Stein verwandelt. Nur ein Schäfer4, der an dem Spiele nicht theilgenommen, war durch einen Geist gewarnt worden, zu entfliehen; nur dürfe er sich auf der Flucht nicht umsehen. Als er das Dorf fast erreicht hatte, ließ ihn die Neugierde nicht ruhen; um aber das Verbot zu umgehen, bückte er sich und sah zwischen seinen Beinen durch. Da wurde auch er sammt seinem Hunde in Stein verwandelt; beide Steine liegen in unmittelbarer Nähe von Boitin bei einem Büdnerkathen; der eine, aufgerichtet, ist der Schäfer, der andre, platt auf der Erde liegend, der Hund5. Am Johannistage hängt aus der ›Brautlade‹ ein rother Faden heraus; wer Muth genug hat, ihn herauszuziehen, kann den Schatz heben6.


Mittheilung von Seminarist C. Lange; von Fräulein T. de Bry; ganz kurze von Pastor Born; vgl. Niederh. 2, 124; Studemund 170.

1

Der Platz war offenbar eine heidnische Opferstätte.

2

Das Dorf ist im dreißigjährigen Kriege untergegangen.

3

Ein alter Bauer war frech genug, als ein Wetter als Vorbote des Unheils aufzog, die Hand zum Himmel zu erheben und zu sprechen ›Du da droben magst anfangen was du willst, wir lassen uns nicht stören.‹ L.

4

Zwei Schäfer L.

5

Der zweite Schäfer wandte sich nach Witzin. Auch er vergaß das Verbot und wurde sammt seinem Hunde verwandelt; beide Steine liegen auf dem Berge am Glammsee L.

6

Dieser Zug nur bei L und N.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 431-432.
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